Predigt vom 13. Sonntag nach Trinitatis, 15.09.2019

Freier Gottesdienst für unsere Orgel; 13. Sonntag nach Trinitatis, 15. September 2019, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrerin Karin Lefèvre in Zusammenarbeit mit Kantor Martin Peiffer

Etwas, das man nicht beschreiben kann, was man nur fühlt, das ist Musik. (Ivan Repušić)

Vielleicht können wir das nach dem nächsten Orgelstück nachempfinden. Wir hören:

ORGEL 1. Satz der 6. Orgelsonate - oder besser bekannt als „Vaterunser-Sonate“ von Mendelsohn

Etwas, das man nicht beschreiben kann, was man nur fühlt, das ist Musik. Vielleicht war ja die Zeit bis jetzt zu kurz, um das mitempfinden zu können, aber keiner von uns, die am vorletzten Mittwoch auf „Orgelfahrt“ waren, hat sich dem entziehen können. Keiner von uns hatte damit gerechnet, als wir fröhlich im Auto saßen und hofften, ohne Stau in Deggendorf anzukommen, wo in der Mariae-Himmelfahrt-Kirche unsere 1. Station war. Wir wollten uns dem Klang von Orgeln verschiedener Orgelbauer aussetzen. Natürlich haben wir gehofft, dass wir da Unterschiede hören können. Aber auf das, was da im Verlauf des Tages passierte, waren wir nicht eingestellt. Jeder von uns saß in jeder Kirche etwa an der gleichen Stelle in den Kirchenbänken und lauschte aus Gründen der Vergleichbarkeit immer denselben drei Stücken, die unser Kantor Martin Peiffer vorbereitet hatte. Ich hätte ja nie geglaubt, dass Orgeln so unterschiedlich klingen können und vor allem, dass diese unterschiedlichen Klänge auch so unterschiedliche Gefühle auslösen. Jede und jeder von uns hat anders reagiert, aber alle wurde wir eingefangen und berührt von der Musik.

Martin Luther hat einmal geschrieben: Musik ist ein reines Geschenk und eine Gabe Gottes, sie vertreibt den Teufel, sie macht Menschen fröhlich und man vergisst über sie alle Laster.

Hinterher waren wir uns alle einig: Schade, dass nicht die ganze Gemeinde, also Sie alle, Anteil haben konnten an diesem Geschenk, das Gott uns mit der Musik gemacht hat!

Und mit einem Mal hatte ich ein ganz neues Verständnis von dem, was wir im 1. Samuel 17 lesen. Es ist ja eine sehr bekannte Geschichte, wie König Saul eine gottesdienstliche Opferung missbraucht, um seine Leute auf einen Kampf einzustimmen, und er deshalb vom Propheten Samuel auf Gottes Anordnung hin als König abgesetzt wird. Kein Wunder, dass Saul das schwer nimmt, so schwer, dass er zwischen Depression und Aggressionen hin und her schwankt.

Dann heißt es (1. Samuel 17,15ff)

Der Herr hatte seinen Geist von Saul genommen und ihm einen bösen Geist geschickt, der ihn oft quälte. 15 Da sagten die Leute zu Saul: „Du weißt selbst, dass ein böser Geist dich heimsucht. 16 Sollen wir uns nicht nach einem Mann umsehen, der Harfe spielen kann? Du brauchst nur zu befehlen! Wenn dann der böse Geist über dich kommt, kannst du dir etwas vorspielen lassen; das wird dich aufmuntern.“ 17 „Ja“, antwortete Saul, „sucht mir einen geschickten Harfenspieler und bringt ihn zu mir.“ 18 Einer von den jungen Leuten sagte: „Ich kenne jemand: Isai in Bethlehem hat einen Sohn, der Harfe spielen kann. Er stammt aus einer angesehenen Familie und ist ein tüchtiger Kämpfer. Er versteht zur rechten Zeit das rechte Wort zu sagen, und ist von schöner Gestalt. Der Herr steht ihm bei.“ 19 Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen: „Schick mir doch deinen Sohn David.“ (…) 21 So kam David ins Haus des Königs und trat in seinen Dienst. Der König fand Gefallen an ihm. (…) 23 Immer, wenn der böse Geist über Saul kam, griff David zur Harfe. Da wurde es Saul leichter ums Herz und der böse Geist verließ ihn.

Den Einfluss von Musik auf unser Gehirn haben auch Hirnforscher erkannt. Der deutsche Neurowissenschaftler Stefan Koelsch etwa hat in Untersuchungen zeigen können, dass fröhliche Musikstücke, wie zum Beispiel das Allegro aus Bachs Viertem Brandenburgischem Konzert oder eine irische Tanzweise bei Patienten die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut verringerten – während einer Operation benötigten sie weniger von dem Narkosemittel Propofol.

Aufgrund solcher und anderer Wirkungen untersuchen Forscher zunehmend den Einsatz von Musik als Medizin . Manche Menschen lernen nach einem Schlaganfall oder einem Hirntrauma zusammen mit einem Therapeuten am Klavier, ihre Bewegungen wieder zu koordinieren. Tinnitus-Patienten kann speziell bearbeitete Musik dabei helfen, das rätselhafte Pfeifen und Klingeln in den Ohren wieder loszuwerden. Bei Menschen mit Alzheimer oder anderen Demenzerkrankungen kann gemeinsames Singen Verhaltensstörungen wie Aggressionen mildern, und die richtige Musik kann verschüttete Erinnerungen zurückholen und dem Leben wieder einen emotionalen Halt geben. So eng verwoben scheint Musik mit unserer Biografie, dass sie als emotionaler Kern selbst dann zurückbleibt, wenn andere Teile der Persönlichkeit bereits bröckeln und die Erinnerungen dahinschwinden.

ORGEL Michael Schütz, „Dance With Me“

Wussten Sie eigentlich, dass der Orgelbau und die Orgelmusik in Deutschland auf die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden sind?

„Deutschland kann auf eine große Kultur des Orgelbaus und der Orgelmusik zurückblicken, die weltweit ihresgleichen sucht“, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Die Orgel wurde den Angaben zufolge vor mehr als 2.000 Jahren in Ägypten erfunden und gelangte über Byzanz nach Europa. Deutschland zählt heute weltweit zu den wichtigsten Ländern für Orgelbau und -musik. Demnach gibt es bundesweit derzeit rund 400 handwerkliche Orgelbaubetriebe mit mehr als 2.800 Mitarbeitern sowie Zehntausende haupt- und ehrenamtliche Organisten. Über 50.000 Orgeln sind im Einsatz.

Ja, über Jahrhunderte hinweg war die Orgel das einzige Instrument, dessen Tonumfang dem Hörspektrum des Menschen entsprach. Kein anderes akustisches Instrument kann tiefere oder höhere Töne erzeugen, ist Einzelstimme und Orchester in einem.

Herr Peiffer spielt an dieser Stelle entsprechende Beispiele.

Ich möchte jetzt noch einmal Martin Luther zitieren:

Wer sich die Musik erkiest,

hat ein himmlisch Werk gewonnen

denn ihr erster Ursprung ist

von dem Himmel selbst genommen,

weil die lieben Engelein

selber Musikanten sein.

Gehen wir nun einmal von der klassischen Pfeifenorgel aus und nicht von modernen Digitalorgeln, dann gilt: Jede Pfeifenorgel ist ein Individuum und kein Produkt von der Stange, denn sie wird für den Raum, in dem sie erklingen soll, ganz neu geschaffen. Dazu gehört das Äußere – der Orgelprospekt – ebenso wie das Innenleben. Jede Pfeifenorgel ist eine eigene Schöpfung. Große, kleine, schlanke und gewichtige Pfeifen tragen zur Klangvielfalt einer Orgel bei. Aus diesem Grund wird sie auch als Spiegelbild der Gemeinde gesehen, die ja ebenfalls aus den unterschiedlichsten Persönlichkeiten besteht.

Stellen wir uns einmal vor, wir würden nur eine Pfeife aus unserer Orgel herausnehmen, genauer eine, die für unsere wunderschöne Toccata gebraucht wird, die wir als Anzeige dafür gewählt haben, wie viele Spenden schon zusammengekommen sind. Es klänge entsetzlich.

Um das an einem einfachen Beispiel zu demonstrieren, spielt Herr Peiffer nun „Hänschen klein“ und lässt dabei einen bestimmten Ton immer aus.

Da möchte man doch die Pfeife gleich wieder einbauen! Ich wünschte, wir wären genauso empfindsam, wenn es um einzelne Menschen in unseren Gemeinden geht! Doch genau dazu sind wir aufgefordert - 2015 waren wir es in besonderer Weise ein ganzes Jahr lang in der Jahreslosung aus Römer 15, Vers 7:

„Nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob“. „Nehmt einander an...“ - mit nur einem Ton lässt sich kein Musikstück komponieren. Und wo wir Menschen vernachlässigen und schlecht behandeln, da bleiben sie weg und da werden sie verständlicherweise „verstimmt“. Es ist kein Zufall, dass so viele Redensarten aus der Musik stammen. Wir sagen: „Da ist Musik drin“, wenn uns etwas interessiert, weil es Schwung und Kraft hat. Oder wir sagen: „Hier spielt die Musik“, wenn wir wollen, dass jemand wieder aufmerksam wird und aufpasst auf das, was gerade läuft. Oder wir sagen: „Das klingt wie Musik in meinen Ohren!“, wenn uns etwas gefällt.

Manche mögen uns für unbescheiden halten, weil wir uns eine neue Orgel wünschen. All denen wünsche ich eine Fahrt, wie wir sie vor eineinhalb Wochen gemacht haben. Denn da haben wir im kleinen Kreis erlebt, welch wunderbare verbindende Wirkung Musik haben kann. Und wir waren wirklich ein bunt zusammengewürfelter Haufen, unterschiedlich wie die Orgelpfeifen in Größe, Umfang und Tongebung. Und doch haben wir gespürt, wie uns unser Glaube verbindet und wie Recht Martin Luther hat, wenn er schreibt: Musik ist ein reines Geschenk und eine Gabe Gottes, sie vertreibt den Teufel, sie macht Menschen fröhlich und man vergisst über sie alle Laster.

Amen

Diesen Artikel teilen

Aus der Diakonie Neuendettelsau und dem Diak wurde Diakoneo
Diakoneo gewinnt German Brand Award

Für die Positionierung der neuen Marke erhält Diakoneo den German Brand Award 2020. Dabei handelt es sich um einen Branchenpreis für Markenführung, der von der Stiftung Rat für Formgebung jährlich vergeben wird. Die Guten Botschafter – Agentur für sinnstiftende Markenführung, haben das Evangelisch…

Weiterlesen

Haben Sie Fragen? Wir helfen Ihnen gerne.

Wenn Sie sich näher über unser Angebot informieren möchten, können Sie gerne Ihre
bevorzugte Kontaktmöglichkeit hinterlassen.

Oder rufen Sie uns an unter unserer Service-Nummer:

+49 (0) 180 28 23 456 (6 Cent pro Gespräch)