11-Uhr-Andacht am 28. März 2020

Ansprache zum Sonntag Judika (Der Hohepriester); 11-Uhr-Andacht am Samstag, 28. März 2020; St. Laurentius, Neuendettelsau, Pfarrer Oliver Georg Hartmann

Das Geheimnis der Passion hat es schwer in unseren Tagen. Alte Begriffe, wie Brot des Lebens, Hohepriester, Opferlamm - das alles scheint einfach nicht mehr zu greifen. Zu fern. Zu kraftvoll. Zu archaisch. Zu blutig. Viele wollen das leidige Thema von Opfer- und Sühnetheologie fernhalten, vergessen. Das passt doch nicht zu einem menschenfreundlichen Gott! - Dabei spüre ich gerade in diesen Tagen: Mit Haut und Haaren bin ich in die Wirklichkeit des Opfers – und das heißt ganz einfach, in die Wirklichkeit des Todes – verstrickt. Opfer sind der Preis des Lebens. Denn anders ist Leben nicht möglich. Denn stets ist mit einer jeglichen Wahl auch eine Abwahl verbunden. Wir wählen das eine – zum Beispiel, mit wem wir unsere Zeit verbringen − und damit ein anderes ab. Das ist ein Grundgesetz des Lebens.

Von basalen Vorgängen lässt es sich leicht auf andere Fälle hochrechnen, in denen Menschen zur Durchsetzung ihrer Lebensbedürfnisse – um von anderen Zielen ganz zu schweigen – den Tod von anderen zumindest in Kauf nehmen. Selbst wenn man als Vegetarier lebt oder kein Handy besitzt und seine Stoffe selbst weben und vernähen wollte, um nur wenige tödliche Industrien unserer Tage zu nennen. Der Mensch ist unweigerlich ein Opferproduzent. Der Tod Christi, so die Pointe, hat dann einen Sinn und ist erst dann tatsächlich in gewisser Weise als Opfer in kultischer Hinsicht zu begreifen, wenn er uns von diesem Opferzwang erlöst, der unserem Lebenserhalt eingeschrieben ist.

Das wird, so lange wir leben, nicht vollständig Wirklichkeit werden, denn der Tod ist bei unserem Leben immer mit dabei. Aber Jesus kann in Situationen für andere einspringen, die unserem sozialen Durchsetzungswillen zum Opfer fallen. Wenn wir es ihm gestatten. Wenn wir zu ihm sagen: „Sei du unser einziges Opfer!“, und unseren Hass und Ärger an Christus imaginativ und betend herauslassen, dann gelingt es uns als Gemeinde vielleicht, die Opfer hinzunehmen und die Perspektive zu weiten und andere Opfer zu verschonen, so wie Christus selbst seine Peiniger geschont hat.

Und wir können zu ihm kommen mit der Traurigkeit und Schuld, wenn wir Lebensmöglichkeiten für uns und andere zugunsten einer bestimmten Entscheidung abknicken.

Amen.

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