11-Uhr-Andacht am 11.Juni 2020, Fronleichnam

Ansprache zum Fronleichnamstag; 11-Uhr-Andacht am Donnerstag, 11. Juni 2020; St. Laurentius, Neuendettelsau, Pfarrer Oliver Georg Hartmann

Heute feiern unsere katholischen Geschwister Fronleichnam. Martin Luther hatte mit diesem Feiertag so seine Schwierigkeiten: Er schrieb: „Ich bin keinem Fest mehr feind als diesem. Denn da tut man alle Schmach dem heiligen Sakrament, dass man's nur zum Schauspiel umträgt und eitel Abgötterei damit treibet.“

Karfreitag und Fronleichnam waren früher Kampftage der Konfessionen. Man erzählt, am Karfreitag, den manche für einen rein evangelischen Feiertag hielten, klopften Katholiken mit Karacho Teppiche. Dafür hätten sich Protestanten an Fronleichnam mit demonstrativem Wäschewaschen revanchiert. Warum aber feiern dann unsere Glaubensgeschwister dieses Fest?

In der Tat: Fronleichnam ist kein biblisches Fest. Erst relativ spät hat es Eingang in den kirchlichen Kalender gefunden. Das Fest Fronleichnam gibt es seit dem 13. Jahrhundert. Das Wort Fronleichnam leitet sich von den mittelhochdeutschen Begriffen "vron" für "Herr" und "lichnam" für "lebendiger Leib" ab. Das Fest wird seit dem Mittelalter immer am zweiten Donnerstag nach Pfingsten gefeiert. Es hängt theologisch zusammen mit einer spezifischen Frage der Abendmahlslehre, die ein Konzil im Jahr 1215 zum Dogma erhoben hatte. Und hieran entzündete sich auch der Streit:

Für Luther gab es im Wesentlichen drei Probleme, die er mit diesem Fest verband:

1) Zu Fronleichnam wird nur der Hostie, also dem Leib Christi, gedacht. Was aber ist mit dem Kelch, dem Blut?

2) Zu Fronleichnam wurde oft nur der Umzug gefeiert. Das Abendmahl selber und seine Bedeutung für den Glauben standen im Hintergrund.

3) Die Hostie ist nur ein Bild für Christi Leib und kann daher nicht zur Verehrung dienen. Es weckt falsche Vorstellungen von der Gegenwart Christi.

Mittlerweile hat sich viel geändert und manches auch nicht. Wie so oft gehen die Idee von einem Fest und seine Ausgestaltung getrennter Wege. Das ist zu Weihnachten und Ostern auch nicht anders. Spannend finde ich, dass sich der Katholizismus etwas erhalten hat von der Idee, dass der Glaube auch etwas für die Sinne braucht: Etwas zum Anfassen, Sehen, Berühren. Und gerade das kommt zu Fronleichnam so wunderbar sinnfällig zum Ausdruck: Gott macht sich auf. Gott ist da. Und das ist schließlich die Grundlage aller christlichen Konfessionen. Gott kommt zur Welt und wohnt unter uns.

Das wird in den Prozessionen deutlich, und wir Evangelischen haben diesem öffentlichen Akt kaum etwas entgegenzusetzen. Und darum freue ich mich, wenn ich eine Prozession sehe. Nicht, weil da Jesus in Gestalt einer Hostie an mir vorbei läuft oder ich gar die Hostie für anbetungswürdig halte, NEIN, sondern weil hier sichtbar wird: Gott ist da. Gott kommt zur Welt. Gott ist erfahrbar in Wort und Sakrament. Und das ist zutiefst lutherisch.

Amen.

Mehr lesen aus dem Magazin zum Thema Spiritualität

Diesen Artikel teilen

Haben Sie Fragen? Wir helfen Ihnen gerne.

Wenn Sie sich näher über unser Angebot informieren möchten, können Sie gerne Ihre
bevorzugte Kontaktmöglichkeit hinterlassen.

Oder rufen Sie uns an unter unserer Service-Nummer:

+49 180 2823456 (6 Cent pro Gespräch)