Predigt vom 14. Sonntag nach Trinitatis, 5. September 2021

Predigt zu 1. Thessalonicher 5, 14-24; 14. Sonntag nach Trinitatis, 5. September 2021, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Dr. Peter Munzert

Kanzelgruß

Predigttext aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Thessaloniki

14 Wir ermahnen euch aber: Weist die Nachlässigen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann. 15 Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann. 16 Seid allezeit fröhlich, 17 betet ohne Unterlass, 18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes und das hat er durch Jesus Christus für euch möglich gemacht. 19 Unterdrückt nicht das Wirken des Heiligen Geistes. 20 Missachtet die prophetische Rede nicht. 21 Prüft alles und behaltet das Gute. 22 Haltet euch vom Bösen fern, wie auch immer es aussieht. 23 Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, bis unser Herr Jesus Christus wiederkommt. 24 Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun.

Lasst uns in der Stille um den Segen des Wortes Gottes bitten. Gott segne Reden und Hören an uns allen. Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

meine Mutter hat über viele Jahre hinweg Bauernmöbel kunstvoll bemalt. Sie kann das jetzt nicht mehr. Meine Eltern sind beide sehr alt und leben jetzt im Haus Bezzelwiese.

Eine Holztruhe aus meinem Elternhaus steht jetzt bei uns in der Wohnung. Auf sie hat meinen Mutter folgenden Spruch geschrieben: „Beispiele tun mehr als alle Red‘ und Lehr‘“. Das ist eine ganz einfache und klare Weisheit. Meine Mutter war selbst Religionslehrerin und hat in der Pädagogik viel Erfahrung gesammelt - und nicht zuletzt hat sie zwei Söhne großgezogen. Auch das war eine Herausforderung. Jungs lassen sich nicht immer so einfach etwas sagen. Manchmal tue ich mich heute noch schwer, zuzuhören…

Doch diese Weisheit hat mich immer bewegt. Wir haben als Söhne unsere Eltern sehr genau beobachtet, wie sie den Alltag gelebt haben, wie ordentlich sie waren, wie sie mit Kritik umgingen und welche Rolle ihr Glaube auch im Alltag spielte. Haben sie denn selbst das gelebt, was sie uns gepredigt haben? Wie glaubwürdig waren sie für uns?

Für Kinder ist das zentral. Sie schauen genau hin, ob ihre Eltern nicht heimlich die Süßigkeiten naschen, die sie den Kindern nach dem Zähneputzen weggenommen haben.

Und es ist ihnen wichtig, dass alle gleichbehandelt werden, keiner willkürlich bevorzugt oder benachteiligt wird. Das Thema der Gerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs ist sehr wichtig – das sieht Paulus ja nicht anders.

Ähnlich war es in der Schule, im Studium, und es ist nicht viel anders im beruflichen Leben. Wir prüfen immer, ob Regeln und Weisheiten glaubwürdig sind, ob sie gelebt werden. Wir wollen sehen, ob gute Ratschläge und Lebensweisheiten funktionieren, ob Menschen sie umsetzen können und es dann auch tun. In der anstehenden Bundestagswahl werden wir auch prüfen, ob die Menschen, denen wir unsere politische Zukunft anvertrauen, halten können, was sie uns versprechen.

In den Einrichtungen der Diakonie verhält es sich ebenso. Mitarbeitende prüfen genau, ob ihre Vorgesetzten mit gutem Beispiel vorangehen oder nicht, ob die Kolleginnen und Kollegen das tun, was ihnen aufgetragen ist. Wenn alle regelmäßig in Nachtschichten oder am Wochenende arbeiten, muss das auch die Leitung tun. Beispiele wirken nur dann, wenn sie dem Alltag entspringen, wenn sie tatsächlich umgesetzt sind, wenn sie echt sind.

Jesus macht es uns vor. Er besucht den Zöllner Zachäus, er geht zur Ehebrecherin, er verkehrt mit Menschen, die Schuld auf sich geladen haben und nach neuen Wegen suchen. Er berät Menschen und hilft ihnen weiter auf ihrem Lebensweg. Er sorgt sich um die Kleinmütigen, um die Schwachen, um Menschen, denen es schwerfällt, ihr Leben in Ordnung zu halten, die einfach nicht zurechtkommen.

Oft sehen wir das nicht, oder die Betroffenen zeigen es nicht, aus Scham oder Angst, kritisiert, verurteilt oder gedemütigt zu werden. Wer erzählt schon gerne, wenn etwas schiefgelaufen ist. Wir teilen viel lieber Erfolgsgeschichten und tolle Stories.

Jesus Christus lenkt unseren Blick auf Menschen in Schwierigkeiten: „Was ihr dem Geringsten unter meinen Brüdern und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“ Es ist Grunde nichts anderes als Achtsamkeit Menschen gegenüber, die Hilfe und Unterstützung benötigen.

Ermahnende Wort werden dabei leicht moralinsauer und schrecken uns ab. Sie widersprechen dem modernen und individualistischen Freiheitsgefühl. Paulus gibt uns schlicht ein paar Leitplanken an die Hand.

Ich verstehe Paulus so, dass er einfach aufzeigen möchte, wie Christinnen und Christen als Teil einer Gesellschaft leben, wie sie gut und beispielgebend leben können, wie sie füreinander da sind und füreinander sorgen:

- Prüft alles, das Gute behaltet.

- Meidet das Böse.

- Seid gut gegenüber jedermann.

Das entspricht im Grunde der goldenen Regel „Was du nicht willst, das man dir tu‘, das füg auch keinem andern zu.“ Oder mit den Worten der heiligen Schrift: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“

Dazu gehört etwas Geduld, aber auch eine Spur Gelassenheit und Fröhlichkeit. Denn ohne die Freude der guten Nachricht von der Liebe Gottes tun wir uns schwer im Leben. Es gibt immer wieder Tage, an denen wir nicht so recht wissen, wie wir uns entscheiden sollen:

- Sollen wir Hilfsbedürftigen, die von Haus zu Haus ziehen, etwas geben?

- Wie gehen wir mit Impfverweigerern um? Auch gerade im Freundeskreis oder in der Familie?

- Was mache ich mit meinem Nachbarn, der immer so laut Fernsehen schaut?

- Brauchen wir mehr Klimaschutz und mehr Elektroautos?

- Was ist denn der richtige Weg im Umgang mit den Taliban? Reden oder Härte?

Zur Klärung solcher Fragen hilft eigentlich nur das Gespräch, der Diskurs miteinander, vielleicht auch das Streiten – gerade wenn es um schwierige Entscheidungen geht.

Paulus traut uns zu, dass wir über viele Fragen unseres Lebens allein entscheiden können. Er bittet uns um Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes und um Vertrauen auf Gott.

Denn Gott ist treu! „Treu ist er, der euch ruft, er wird’s auch tun.“ Wer sich darauf verlässt, ist als Christ oder Christin nicht allein. Gott geht in all den Fragen des Lebens mit.

Uns begleitet zu Hause die Truhe meiner Eltern mit dem Merkspruch „Beispiele tun mehr als alle Red‘ und Lehr‘“ und erinnert uns daran, dass es das gemeinsame Leben, der Alltag ist, der die Regeln für das Zusammenleben prüft und prägt.

Und dass wir immer Menschen sind und bleiben, die gemeinsam auf dem Weg sind, manches eben ausprobieren müssen und weiß Gott nicht die perfekten Lösungen für alle Fragen des Alltags haben – aber dass es am Ende Gott ist, der uns allen treu zur Seite steht. Darauf vertrauen wir.

Amen.


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