Von Perlen, Farben und Formen – Neue Paramente für St. Laurentius (Teil 1)
Eine lange Perlenkette gleitet durch die Hand von Beate Baberske, künstlerische Leitung der Diakoneo Paramentenwerkstatt. Immer wieder halten ihre Finger inne und sie zeigt auf eine ganz bestimmte Perle oder Perlenreihe. Gerade stoppt er bei einer einzelnen weißen Perle umgeben von einer langen grünen Reihe: Johannis, der 24. Juni, Geburtstag von Johannes dem Täufer. 2018 zufällig ein Sonntag, weswegen die Perle nicht nur durch ihre Farbe auffällt, sondern auch durch ihre Größe.
Die Kette in der Hand der Künstlerin zeigt das Kirchenjahr. Jeder Tag hat seine eigene Perle, die dem aufmerksamen Betrachter verrät, ob es sich um einen Sonn- bzw. Feiertag oder einen Wochentag handelt, ob an diesem Tag ein Christusfest oder ein Gemeindefest gefeiert wird. Die Perle ist in der liturgischen Farbe des jeweiligen Tages gefärbt. „Mit Weiß assoziieren wir Helligkeit, Licht. Es ist die Farbe Jesu Christi, dem Licht der Welt.“ Und genau um die Farbe Weiß geht es Beate Baberske, die direkt vor dem steinernen Mensaalter der Laurentiuskirche steht, und ihren aufmerksamen Zuhörern heute als Erstes.
Für das „Publikum“, u.a. Schwester Erna Biewald, Oberin der Diakonissengemeinschaft Neuendettelsau, und Pfarrer Peter Munzert, ist nicht neu was Baberske erzählt. Aber heute geht es darum, sich Vertrautes neu bewusst zu machen, den Blick frei zu bekommen und den vertrauten Kirchenraum neu, intensiv anzusehen: im 160. Jubiläumsjahr der Paramentenwerkstatt sollen neue Paramente in allen Farben des Kirchenjahres für ihre Heimatgemeinde St. Laurentius entstehen. Am 9. Dezember 2018, dem 2. Advent, werden Sie eingeweiht. Dann wird die Farbe Violett im Mittelpunkt stehen, die liturgische Farbe des Wartens und der Vorbereitungszeiten, die Symbolfarbe für Passion und Advent. Doch heute geht es erst einmal um Weiß.
Weiß – die Farbe der Christfeste!
Das Team, das in einem kreativen Prozess die Formen der zukünftigen weißen Paramente zu finden sucht, ist eingespielt. Mitte Dezember hat es sich von Baberske bereits dazu verführen lassen die Kirche neu wahrzunehmen, um sich der Gestaltung der grünen Paramente zu nähern. Textile Kunst verändert Räume. In ihrem Aufsatz „Unternehmenskultur und Spiritualität im Raum“, erschienen in Beate Hofmann "Diakoniesche Unternehmenskultur. Handbuch für Führungskräfte.", bezeichnet Baberske die Paramentik als „christlichen Innenausstatter, der Lebensräume nach den besonderen Bedürfnissen des Glaubens ausrichtet“. Wie sehr Paramente dieser Aufgabe nachkommen, wird deutlich, wenn aller Stoff aus dem Kirchenraum verschwindet, der Blick frei wird und die Kirche langsam, ohne fest vorgegebene Formen, neu eingekleidet wird.
Unter Zuhilfenahme mehrerer Stoffbahnen verwandeln Beate Baberske und ihre Kollegin Rosalia Penzko Chor- und Altarraum von St. Laurentius immer wieder neu:
Rot – das Feuer der Liebe, die Farbe der Gemeinde
Bereits während die weiße Farbe den Kirchenraum dominiert, fällt immer wieder das Wort Rot. Formen und Ideen, die für Weiß verworfen werden, sollen für Rot vorgemerkt werden. Eigentlich stand Violett als zweite Farbe des Tages auf dem Programm – aber die Gedanken sind bei Rot, kreative Prozesse nicht immer planbar und Stimmungen sollten genutzt werden – deswegen sind Baberske und Penzko vorbereitet: die weißen Tücher verschwinden, die Schachtel mit den roten Mustern steht wartend neben der mit violetten bereit. „Schade, dass Rot am seltensten gehängt wird“, bedauert eine der Anwesenden. Und tatsächlich, nur die Farbe Schwarz, die im evangelischen Kirchenjahr dem Todestag Christi vorbehalten, findet sich noch seltener in der Kirchenjahrs-Perlenkette.
Und dabei ist die Farbe Rot ambivalent und vielschichtig. Zum einen erinnert sie an das geopferte Blut Jesu Christi, aber auch der Märtyrer: alle Tage, die an das Leiden Jesu erinnern und die Gedenktage für Märtyrer sind rot. Zum anderen ist sie als Farbe des Feuers Sinnbild Gottes, der als brennender Dornenbusch erscheint, und symbolisiert als solche gleichzeitig die Flamme des Heiligen Geistes: Pfingsten wird in Rot gefeiert. Doch nicht nur die Liebe Gottes, sondern auch die unter den Menschen wird mit Rot assoziiert. Deswegen ist es die Farbe der Gemeindefeste, insbesondere Konfirmation und Reformationstag. Trotzdem zählen wir nur 30 rote Perlen auf unsere Kette: „Zum Glück haben wir noch die Einsegnungen der Leitenden Mitarbeiter – da hängen wir auch Rot.“
Grün: Die Farbe aller Tage
Der Blick auf die Kette zeigt es sofort: am häufigsten erstrahlt die Kirche im grünen Schmuck, die schlichteste und elementarste Farbe im gottesdienstlichen Farbspektrum. Bereits im Dezember hatte sich die Projektgruppe intensiv damit auseinandergesetzt. Grün steht für Wiesen, blühende Natur, aber auch für die schattige Dunkelheit des Waldes – für Wachstum und Weiterentwicklung. Es ist die Farbe aller Tage, die keine Feier- oder Gedenktage sind: Die Zeit nach Epiphanias und nach Trinitatis, Überleitungszeiten von Weihnachten zu Ostern und von Pfingsten zum Ewigkeitssonntag, von einer Festzeit zu einer Bußzeit.
Doch was ist mit der Farbe Violett, die bei der Einweihung der neuen Paramente den ersten großen Auftritt haben wird? Und wie werden aus den schnell, aber kunstvoll drapierten Stoffbahne Paramente? In unserer, mit diesem Artikel startenden, Serie erlaubt uns die traditionsreiche Paramentenwerkstatt von Diakoneo einen Blick hinter die Kulissen.
Fortsetzung folgt
Mehr Informationen zur Paramentenwerkstatt Neuendettelsau finden Sie hier.