Christa Megaw, Gordon Pennykid und Ted Dodd geben Einblicke aus Australien, Schottland und Kanada
Der Diakonia Weltbund reflektiert über den Auftrag von Diakonie in biblischem Kontext und verbindet weltweit diejenigen, die diakonisch tätig sind. Dazugehören Gemeinschaften und Verbände von Diakonissen, diakonischen Schwestern und Brüder, Diakonieschwestern, Diakoniepfarrer und andere kirchliche Mitarbeiter. Seit 2018 hat der Verein „Diakonia Weltbund e.V.“ seinen Sitz aus den Niederlanden nach Neuendettelsau verlegt. Doch wie unterschiedlich wird „Diakonie“ in den verschiedenen Ländern gelebt? Und vor welchen Herausforderungen steht die diakonische Arbeit in anderen Teilen der Welt? Christa Megaw aus Australien, Gordon Pennykid aus Schottland und Ted Dodd aus Kanada berichten.
Der 2018 in Neuendettelsau gegründete Verein Diakonia Weltbund e.V. hat sich vor kurzem zu seiner ersten Vorstandssitzung in Neuendettelsau getroffen.
Christa Megaw aus Australien, Gordon Pennykid aus Schottland und Ted Dodd aus Kanada beantworten unsere Fragen:
Frage: Wie wird Diakonie in ihrem Heimatland gelebt?
Christa Megaw (Australien): Innerhalb Australiens gibt es mit der Anglikanischen Kirche und der Vereinigenden Kirche zwei diakonische Organisationen – ich bin als Diakonin bei der Vereinigenden Kirche, der „Uniting Church in Australia“. Diakone und unser Pendant, die „Prediger des Wortes“, haben gleichwertige Rollen, wobei Diakone mehr außerhalb der Kirche und Prediger des Wortes mehr innerhalb der Kirche agieren. Einige Diakone arbeiten zum Beispiel in Krankenhäusern, Altenpflegeeinrichtungen oder im Gefängnis. Andere, wie ich, arbeiten im Dienst einer Gemeinde. Wir befähigen und ermutigen die Gemeindemitglieder, sich für die Gemeinde zu engagieren, insbesondere den Bedürftigen zu dienen und sie zu betreuen. Wir haben eine prophetische Stimme und sensibilisieren für gesellschaftliche Probleme sowie die Zusammenarbeit mit anderen, um die Situation zu verbessern. Wir verstehen uns als Brückenbauer zwischen Gemeinde und Gesellschaft und tragen zu Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung bei.
Gordon Pennykid (Schottland): Die Kernaufgabe der Diakoninnen und Diakone in Schottland ist die Kirche in eine dienende-diakonische Kirche zu führen – sozusagen die Hände und Füße von Jesus Christus zu sein. Im Vereinten Königreich von Großbritannien sind die Diakoninnen und Diakone innerhalb der Kirche ordiniert. Sie sind aber meist bei säkularen, also nicht kirchlichen Arbeitgebern beschäftigt und leisten zum Beispiel in der Gefängnis- oder Krankenhausseelsorge ihren Dienst oder sind als Lehr- und Pflegekräfte tätig. Manchmal werden sie auch innerhalb der Kirche als Jugendreferenten oder Assistenten des Pfarrers in der Gemeinde eingesetzt.
Ted Dodd (Kanada): In Kanada gibt es vier große Kirchen: die Evangelisch-Lutherische Kirche, die Presbyterianische Kirche, die Anglikanische Kirche und die Vereinte Kirche von Kanada. Die Evangelisch-Lutherische Kirche hat diakonische Dienste. Momentan kämpft sie aber um ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von der starken Kontrolle der Nationalen Kirche. Die Presbyterianische Kirche hat seit der Gründung ihrer diakonischen Dienste keine neuen Diakone aufgenommen, weswegen sie bereits in den 1990 Jahren geschlossen wurden. Die Anglikanische Kirche erfährt momentan eine starke Nachfrage für die Ausbildung im Diakonat, für die es aber keine Anstellung oder Bezahlung gibt. Diakone haben deswegen oft eine andere Arbeitsstelle und können ihren prophetischen Dienst dann auch dafür einsetzen, die Systeme und Strukturen herauszufordern und etwas Neues zu wagen. Auch die Vereinte Kirche von Canada verzeichnet sehr viele diakonische Dienste. Die Position der Diakoninnen und Diakone entsprechen einem ähnlichen Tätigkeitsfeld wie Pastoren. Zudem übernehmen sie auch die liturgische Verantwortung an den Sonntagsgottesdiensten. Das erzeugt bei einigen Diakoninnen und Diakonen manchmal eine Identitätskrise über ihr Amt und den damit verbundenen Aufgaben.
Frage: Was sind die größten Herausforderungen?
Christa Megaw (Australien): Oft mangelt es am Verständnis für die Rolle der Diakone in der Kirche. Viele denken, dass die „Prediger des Wortes“ die wahren Prediger sind, während die Diakone eine geringere Rolle spielen. In Wirklichkeit werden beide benötigt, um den vollen Dienst der Kirche darzustellen. Ein großes Problem ist auch, dass es praktisch keinen Unterschied in der Ausbildung von Diakonen und Predigern gibt. Diakone müssen ihre Identität verstehen lernen und benötigen deshalb entsprechendes Hintergrundwissen und die Fähigkeit, diese Identität ausleben zu können. Das muss in den Ausbildungs- und Trainingsprozessen für Diakone mehr Berücksichtigung finden.
Gordon Pennykid (Schottland): Eine der größten Herausforderungen ist der Kampf gegen die Strukturen, damit die führenden Mitglieder der Kirche als Christen in Freiheit und mit Eigenmotivation etwas bewegen können. Leider gibt es momentan zu wenig Pfarrer. Deswegen wechseln auch die, die sich ins Diakonat berufen lassen verstärkt in den kirchlichen Dienst, weil die Motivation fehlt, in den diakonischen Dienst zu gehen. Wir stehen sozusagen vor dem klassischen „Henne-Ei-Problem“. Schottland benötigt in allen Bereichen mehr Diakoninnen und Diakone, aber es werden aufgrund der fehlenden Möglichkeiten erst gar keine Stellen ausgeschrieben. Obwohl die Herausforderungen an die Kirche und Diakonie größer denn je sind und die Nachfrage an Tafeln (Nahrungsmittelausgabestellen), Demenz-Cafés, Hilfe für Obdachlose und gegen Einsamkeit kontinuierlich steigt.
Ted Dodd (Kanada): Ein dringendes Problem in Kanada ist das Erbe der kolonialen Unterdrückung indigener Völker. Wir haben eine nationale Kommission „Truth & Reconciliation“ (deutsch: Wahrheit & Versöhnung), die das Völkermord-Projekt von Schulen untersucht. Eine weitere Untersuchung ist im Gange, um den hohen Anteil vermisster und ermordeter indigener Frauen und Mädchen zu analysieren. Alle diese Studien und Kommissionen fordern eine Aussöhnung zwischen indigenen Völkern (die von den wiederkehrenden Richtlinien und Praktiken der kanadischen Regierung und der Kirchen beeinflusst wurden und werden) und Siedlern (nicht-indigenen Völkern). Kanada ist auch ein Land mit vielen Kulturen. Dies wird größtenteils für die Vorteile der Vielfalt, der erweiterten Perspektive und der Offenheit für Unterschiede, gefeiert. Die Hauptkirchen spiegeln diese Vielfalt jedoch nur selten wider. Die Kirchen haben viel zu tun, um die interkulturelle Verbindung zu stärken.