3. Fastenpredigt: Europa im Umbruch - Verspielen wir Frieden und Freiheit?

Europa im Umbruch - Verspielen wir Frieden und Freiheit ?

Obwohl die Welt ohne Unterlass von kriegerischen Auseinandersetzungen erschüttert wird, blieb das Territorium der EU seit dem zweiten Weltkrieg von Kriegen verschont. Allerdings bedrohen heute globale Krisen und Konflikte von außen die EU viel unmittelbarer als früher und gleichzeitig treten ganz neue Gefahren von innen auf: zum ersten Mal tritt ein Land aus der EU aus und populistische Parteien sehen in der EU den zentralen Gegner ihrer nationalen Ideale. Es könnte einem Angst und Bange um Europa werden, frei nach Heinrich Heine: denk ich an Europa in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.
Als Christen suchen wir Trost in der Schrift und lesen in der heutigen Losung - 2. Korinther 4, Vers 8 und 9 "Wir werden von allen Seiten bedrängt aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht." Diese Losung kann und sollte uns auch Leitlinie für die zukünftige europäische Politik sein.

Europa hat seinen heutigen Friedensstatus erst nach einem jahrhundertelangen Lernprozess erreicht, dessen Ursprung durchaus im 2000 Jahre alten christlichen Erbe verortet werden kann: so heißt es in Römer 12, Vers 18: "..soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden." und nicht zuletzt kennen wir alle das Gleichnis von Jesus Christus, indem er unmissverständlich verlangt, schlägt Dich einer auf die linke Backe (...dann schlage nicht zurück sondern..) dann halte ihm auch die rechte Backe hin - Matthäus 5, Vers 38 -.
Mit der hier zum ersten Mal formulierten christlichen Nächstenliebe und der noch weit darüber hinausgehenden Feindesliebe begann der Traum von einer friedlichen Welt, der leider bis heute noch lange nicht überall verwirklicht werden konnte.

Wie konnte wenigstens in Europa das Friedensziel weitgehend erreicht werden und was könnten bisherige Kriegsregionen daraus lernen?
Auch in Europa dauerte es bis 1495 - also nur 22 Jahre vor der Reformation von Martin Luther - als in dem damaligen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation das erste Pflänzchen einer allgemeinen Friedensordnung vertraglich vereinbart wurde: der sog. Ewige Landfrieden, der das bis dahin geltende feudale Fehderecht, also das Recht bewaffneter Selbsthilfe des Adels ablöste.
Die nächste Entwicklugsstufe gelang dann mit dem westfälischen Frieden 1648, der praktisch den Beginn der Religionsfreiheit, also den Frieden zwischen den Religionen markierte. All dies konnte
die Vielzahl der folgenden Kriege in Europa nicht verhindern. Auch der Versuch nach dem 1. Weltkrieg mit dem Völkerbund zum ersten Mal eine Friedensordnung für Nationen zu errichten, scheiterte und konnte den 2. Weltkrieg nicht verhindern.
Erst die Schrecken des 2. Weltkrieges führten zu den globalen Vereinbarungen der UNO - mit all ihren Unvollkommenheiten - und in Europa zu den komplexen Verträgen der heutigen Europäischen Union. Sie schaffte es, mit den jetzt 73 Jahren die längste Friedensperiode seiner Geschichte zu ermöglichen. Frieden ist also ein sehr langer und schwieriger Lernprozess, der in den Rahmen von konkreten Verträgen gegossen werden muß. Verträge schließen, heißt immer auch Kompromisse eingehen, die immer wieder kritisiert oder als unfair dargestellt werden können.
Was muß heute in Europa getan werden um das bisher Erreichte zu sichern und zukunftsfest zu machen? Auf dieser Liste stehen ganz oben: der Brexit muß klar und fair geregelt werden; die Flüchtlingsproblematik mit all ihren schwierigen Facetten muß angegangen werden; Europa muß die Kompetenzen für die Themen bekommen, die nur europäisch gelöst werden können und Europa muß dort weniger tun, wo die nationale Ebene ausreicht. Ganz wichtig wird die Bewältigung eines schwierigen Lernprozesses: so muß neu gelernt werden, welche Bedeutung hat heute noch die nationale Souveränität und: welches Gemeinwohl - das bayerische, das deutsche oder das europäische - Gemeinwohl ist das wichtigste. Oder: müssen die kurzfristigen oder die langfristigen Konsequenzen politischer Entscheidungen mehr bedacht werden? Dies sind genau die Fragen, die auch den Populisten gestellt werden müssen.
Wie kann Europa seine Friedenserfahrungen an andere Teile der Welt weitergeben ohne überheblich zu wirken. Ich glaube hier muß man allein das Beispiel wirken lassen; die Botschaft für andere Teile der Welt lautet: es gibt die Möglichkeit auf dieser Erde mit seinen Nachbarn in Frieden zu leben.

Als Christenmensch lasse ich mich durch die unbestreitbar immense Komplexität der europäischen Realität nicht ins Bockshorn jagen. Wie heißt es im Korintherbrief "wir werden von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht". Ganz im Gegenteil: wenn ich bedenke, welchen Weg wir seit Beginn der europäischen Einigung schon gehen durften, dann bin ich sogar dankbar für das Erreichte: Wir Deutsche haben keine feindlichen Nachbarn mehr, wir zählen trotz der Untaten, die im 2. Weltkrieg in unserem deutschen Namen verübt wurden, zu den beliebtesten Nationen der Welt. Europa hat begonnen, eine global stabilisierende Rolle zu spielen. Die Diktaturen in Spanien, Griechenland und Portugal konnten durch Demokratien ersetzt werden, die kommunistisch unterdrückten osteuropäischen Länder konnten befreit werden, Deutschland erlebte seine Wiedervereinigung und Europa gilt weltweit als Hort der Menschenrechte und der Freiheit.
Unsere Erfahrungen sollen und können wir als Chance zur Friedenssicherung weiter geben und ich bin überzeugt davon, daß dieses Bemühen auch als Auftrag des Schöpfers verstanden werden darf. Christus will Frieden auf Erden und wenn wir Europäer dazu einen Beitrag leisten können dürfen wir auch auf den Segen Gottes hoffen.
Und der Friede des Herrn, der höher ist als alle Vernunft, sei mit uns allen. Amen

Dr. Ingo Friedrich, 04.03.2018, St. Laurentius Neuendettelsau

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