Das Projekt „Alle Vögel sind schon da“ weckt Erinnerungen bei den Senioren*innen des Kompetenzzentrums Forchheim
Naturbeobachtung macht nicht nur Freude, sondern weckt auch Erinnerungen. Im Kompetenzzentrum in Forchheim gibt es deshalb das Projekt „Alle Vögel sind schon da“ des Landesbundes für Vogelschutz (LBV).
Die Beobachtungen in der Natur sollen das persönliche Wohlbefinden von älteren, pflegebedürftigen Menschen stärken.
Von Amanda Marien
Das Beobachten von Buchfink, Rotkehlchen und Co. steigert das persönliche Wohlbefinden
„Wollen wir zur Begrüßung ein Lied singen?“, fragt eine Frau in einem blauen T-Shirt die Senioren*innen, die auf der Terrasse des Kompetenzzentrums in Forchheim sitzen. Sie beginnt, das bekannte Kinderlied „Alle Vögel sind schon da“ anzustimmen. Nach und nach fangen einige an, das Lied mitzusingen. Die Verse sind immer noch im Gedächtnis geblieben – trotz fortschreitender Demenzerkrankung.
Die Frau in blauem Shirt heißt Judith Fürst. Sie ist als Referentin des Landesbund für Vogelschutz (LBV) heute gekommen, um im Rahmen des Präventionsprojekts „Alle Vögel sind schon da“ gemeinsam mit den Senioren*innen eine Vogelfutterstation und zwei Nistkästen aufzubauen.
Diese locken Gartenvögel an, die von den Bewohner*innen beobachtet werden können. Das bietet nicht nur Gesprächs- und Beschäftigungsanlässe im Rahmen der Biografiearbeit, sondern steigert auch das persönliche Wohlbefinden.
Biografiearbeit hilft Menschen mit Demenz, sich an sich selbst zu erinnern
Das von den bayerischen Pflegekassen geförderten Präventionsprojekt ist wissenschaftlich durch die Katholische Universität in Eichstätt-Ingolstadt evaluiert und hat das Ziel, die kognitiven und körperlichen Fähigkeiten der Senior*innen zu verbessern und Freude zu bereiten.
Als Einrichtungsleiter Thomas Weiß davon erfuhr, hat er das Kompetenzzentrum gleich dafür beworben. „Gerade in der Pflege von Demenzkranken ist Biografiearbeit unabdingbar“, sagt Thomas Weiß. Biografiearbeit trägt dazu bei, dass sich der Mensch mit Demenz länger daran erinnert, wer er ist.
Das bestätigten Pflegedienstleitung Susanne Wunder und Barbara Heitmann, Leitung der sozialen Betreuung. Die beiden sind als „Vogelbeauftragte“ nun im Rahmen der Biografiearbeit im Kompetenzzentrum unterwegs.
Beide erzählen, dass frühere Generationen naturverbundener gewesen waren. „Verletzte Vögel mit nach Hause zu bringen oder im Winter Vogelfutter selbst herzustellen gehörte früher einfach in allen Familien dazu“, sagt Susanne Wunder. „Sowas vergisst man nicht und dann kommen Erinnerungen hoch, die Augen beginnen zu leuchten und sie fangen an, zu erzählen“, berichtet Barbara Heitmann von den Reaktionen der Senioren*innen.
Kleine Plüschvögel begeistern die Senioren*innen
Das erleben die Senioren*innen auch bei der Auftaktveranstaltung des Projekts. Nach dem Lied nimmt die LBV-Referentin Judith Fürst einen Plüschvogel aus einer Kiste und geht damit auf Heinz Pfeffermann zu. „Möchten Sie den Vogel mal in die Hand nehmen“, fragt sie ihn. Ein Mitarbeitender des Kompetenzzentrums hilft ihm dabei, seine Finger um den Vogel zu schließen.
Ganz vorsichtig hält er den Vogel in den Händen. Seine Augen sind weiterhin auf Judith Fürst gerichtet. „Und jetzt drücken Sie mal kräftig“, sagt sie und lächelt ihn aufmunternd an. Plötzlich fängt der Plüschvogel an zu zwitschern und die Augen von Heinz Pfeffermann wandern nach unten zu seinen Händen. „Ich war immer in der fränkischen Schweiz wandern“, erzählt er und schaut Judith Fürst aus großen Augen an.
Die LBV-Referentin hat noch mehr Singvögel aus Plüsch dabei, die sie unter den Senioren*innen verteilt. Ganz behutsam, mit locker gefalteten Händen halten sie die Vögel und es zwitschert aus allen Ecken der Terrasse.
Memoryspiele und Infokarten unterstützen die Wirkung der Aktion
Die Plüschvögel gehören mit zu den unterschiedlichen Materialien, die das Kompetenzzentrum vom LBV bekommen hat. Eine ganze Kiste steht im Büro von Susanne Wunder und Barbara Heitmann.
„Wir können aus Memoryspielen, Infokarten oder sogar Rezeptideen nahezu jede denkbare Aktivität umsetzen“, sagt Barbara Heitmann. Zu Ostern haben die Bewohner*innen zum Beispiel Osterkarten für ihre Angehörigen gebastelt, die ein kleines Geschenk mit Blütensamen beinhaltet. Damit können Pflanzen im Garten angesät werden, die Insekten und Vögel anlocken.
Wöchentlich auf dem Plan steht jetzt auch die große Vogelfutterstation, die die Senioren*innen mit Judith Fürst vom LBV aufgebaut haben. „Wir tauschen das Wasser und erneuern das Futter. In unserer beschützten Gruppe haben wir auch ein Vogelbeobachtungsfenster eingerichtet, von wo aus die Futterstation gut beobachtet werden kann“, erklärt Barbara Heitmann.
Hannelore Müller wohnt im Kompetenzzentrum. Heute ist sie an der Reihe, den Vögeln frisches Wasser zu bringen:
Ohne Druck schöne Momente schaffen
Den Mitarbeitenden ist es wichtig, dass die Angebote freiwillig sind und jede*r Bewohner*in im eigenen Tempo mitmachen kann. „Wir wollen niemanden überfordern, sondern ganz ohne Druck schöne Momente schaffen“, sagt Susanne Wunder. Je nach persönlichem Befinden der Bewohner*innen sind die Rückmeldungen bis jetzt ausschließlich positiv. „Unsere Bewohner*innen schauen gern aus dem Fenster, vor allem jetzt, wo sie wissen, dass in den Nistkästen Vögel brüten“, erzählt Barbara Heitmann.
„Und wir inzwischen auch“, sagt Thomas Weiß und verrät, dass er und seine Mitarbeitenden dann selbst ganz neugierig lauschen, wenn sie Vogelgezwitscher hören. „Wir halten draußen jetzt manchmal inne und fragen uns, welcher Vogel das gerade war. Neben verschiedenen Meisen, waren sogar schon ein Buntspecht und ein Grünspecht zu Besuch“, sagt er lachend.
Kontakt Kompetenzzentrum Demenz Forchheim
Kompetenzzentrum Forchheim
Sattlertorstr. 48 b
91301 Forchheim
Tel.: +49 9191 97785-0
E-Mail: info.kompetenzzentrum.forchheim@diakoneo.de
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