Hilfe gegen Einsamkeit im Alter

Quartiersarbeit und Seniorennetzwerke bieten älteren Menschen Hilfs- und Unterstützungsangebote gegen soziale Isolation

Für ältere Menschen ist die eigene Familie oft ein zentraler Bezugspunkt. Die eigenen Kinder, Enkelkinder und der Ehepartner füllen das Sozialleben aus. Fällt die Familie weg, führt das oft zu sozialer Isolation. Auch eine Erkrankung oder eingeschränkte Mobilität können einsam machen.
Es gibt Hilfsangebote gegen die Einsamkeit im Alter: Quartiersarbeit und Seniorennetzwerke sind da, wo die Menschen leben: Um die Ecke, in der Nachbarschaft, direkt in den Stadtvierteln. Sie fördern das gemeinschaftliche Engagement im Viertel und wirken so auch der Einsamkeit im Alter entgegen.

Von Maria Mohr

einsamkeit im alter symbolbild
Im Herbst des Lebens kämpfen viele Menschen mit Einsamkeit.

Annemarie (85) ist in ihrer Wohnung gestürzt. Sie hat es noch geschafft, selbst den Krankenwagen zu rufen und liegt seit drei Tagen im Krankenhaus. In ihrem Krankenhausbett sorgt sich die alleinstehende Seniorin um viele Dinge: Wer kann ihr frische Wäsche in die Klinik bringen? Wer unterstützt sie nach ihrer Entlassung zu Hause? Wer begleitet sie zu den Nachuntersuchungen?

Annemarie hat keine Angehörigen, die sie unterstützen könnten. Sie war nie verheiratet und hat keine Kinder. Damit gehört sie zu einer wachsenden Gruppe von Menschen, denen Anna Miller und Inge Spiegel in ihrem beruflichen Alltag häufig begegnen.
Die beiden arbeiten als Koordinatorinnen beim SIGENA Stützpunkt in Nürnberg-St. Johannis und beim Seniorennetzwerk Nürnberg Eberhardshof-Gostenhof-Muggenhof. Die von Diakoneo gemeinsam mit Partnern verantworteten Netzwerke unterstützen ältere Menschen durch gezielte Angebote, Beratung und ehrenamtliches Engagement.

Warum sind Menschen im Alter von Einsamkeit betroffen?

Einsamekit im Alter
Zusammen mit dem Stadtseniorenrat Nürnberg hat das Seniorennetzwerk Nürnberg-Nordstadt die Infobroschüre „Netz für den schmalen Geldbeutel“ entwickelt.

Der Partner stirbt, die Kinder leben weit weg, die Freunde werden weniger, körperliche Beschwerden schränken den Bewegungsradius ein. Die Folge kann Einsamkeit sein.

Der kranken Annemarie konnte Inge Spiegel einige Sorgen nehmen: Aus dem Kreis von Ehrenamtlichen, den sie bei SIGENA betreut, hat sie eine Helferin gefunden, die die ältere Dame im Krankenhaus besucht und bei ihrem Arzttermin begleitet hat.

„Allein wäre das für Annemarie nicht machbar gewesen“, erzählt die Koordinatorin.

„Da bekommt das Wort mutterseelenallein eine neue Bedeutung.“

Inge Spiegel begegnet vor allem Frauen, die im Alter alleine leben. Entweder lebten Sie schon immer alleine oder sie sind verwitwet, geschieden oder getrennt lebend. Viele dieser Frauen haben keine Verwandten in der Nähe oder Freunde, die im Notfall einspringen würden.
Gesellschaftlich ist das eine große Herausforderung, die zunehmende Anzahl von alleinlebenden älteren Menschen ohne familiäre Bezüge. Diese Menschen sind unsichtbar, erst bei Krankheit, zeigt sich, dass niemand da ist, der diesen Menschen unterstützend zur Seite steht. Mit zunehmendem Alter bräuchten viele ältere Menschen jemanden, der sie bei der Organisation des Alltags unterstützt und als Ansprechpartner für sie da ist.

Zahlen rund um das Leben im Alter

Die überwiegende Mehrheit der älteren Menschen lebt im eigenen Zuhause. Für eine wachsende Zahl von ihnen bedeutet das allerdings ein Leben allein:

  • 2020 lebten rund 5,9 Millionen Menschen ab 65 Jahren allein
  • Das ist jeder Dritte in dieser Altersgruppe
  • Bei den über 85-Jährigen waren es 2020 58 Prozent

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis)

Geldmangel als Grund für Einsamkeit im Alter

Auch Geldmangel ist ein Grund für Einsamkeit im Alter. Wenn der Cafébesuch finanziell schwierig ist, trägt das dazu bei, dass ältere Menschen noch weniger vor die Tür gehen, um sich mit anderen zu treffen. Beim gemeinsamen Mittagessen, einem Angebot von SIGENA, bekommen diejenigen Ermäßigung, die einen Nürnberg Pass haben, sodass sich auch Menschen mit wenig Geld ein frisch gekochtes Mittagessen für 2,50 € in netter Runde leisten können.
Der Nürnberg Pass berechtigt zu vergünstigtem Eintritt bei einer Vielzahl von Angeboten, in den Bereichen Bildung, Kultur, Freizeit und Sport und im öffentlichen Nahverkehr.

In den Nürnberger Stadtteilen Eberhardshof, Gostenhof und Muggenhof, die Anna Miller betreut, gibt es sehr viele Senior*innen, die von Armut bedroht sind. Anna Miller gibt hier viele Tipps, wo diese Menschen Hilfe finden können. So berät sie zum Beispiel, wo man bei der Krankenkasse einen Antrag auf Befreiung von der Zuzahlung stellen kann oder unterstützt bei Anträgen auf Wohngeld oder Grundsicherung.

 

Netz für den schmalen Geldbeutel

Zusammen mit dem Stadtseniorenrat Nürnberg hat das Seniorennetzwerk Nürnberg-Nordstadt die Infobroschüre „Netz für den schmalen Geldbeutel“ entwickelt.

Allein im Alter – die Folgen

Lina (83) ist ratlos: Sie lebt in Nürnberg-St. Johannis, ihr Zahnarzt ist in Röthenbach. Ein weiter Weg für die alte Dame. 50 Meter von ihrer Wohnung entfernt gibt es ebenfalls eine Zahnarztpraxis? Soll sie wechseln?
„Soll ich das machen, Frau Spiegel?“, fragt sie. Inge Spiegel gibt Lina den kleinen Schubs, den diese noch gebraucht hat: „Natürlich machen sie das. Es ist immer gut, den Arzt in der Nähe zu haben.“

Arztbesuche, Klinikaufenthalte, Beantragung von Leistungen bei Krankenkassen und Pflegkassen, Umgang mit Behörden, Bankgeschäfte, Rechnungen: „Es ist schon enorm, was ein älterer Mensch, der allein lebt und keine Kinder oder Verwandte hat, alles alleine stemmen muss.“, sagt Inge Spiegel. Auch große Entscheidungen wie zum Beispiel der Umzug in ein Pflegeheim oder in ein Betreutes Wohnen erfordern eigentlich Unterstützung von einer vertrauten Person.

Verdrängung ist hier ein großes Problem. Trotz zahlreicher Informationsangebote verdrängen viele Menschen den Gedanken an das nahende Alter und die zunehmende Hilfsbedürftigkeit. „Wenn man die Selbstbestimmung Stück für Stück verliert, löst das Ängste aus. Das ist eine der schwierigsten Lebensaufgaben“, weiß Inge Spiegel.

„In Dankbarkeit auf die Vergangenheit zurückzuschauen, ist eine hohe Kunst.“

Viele Aufgaben warten im Alter
Termine, Behördengänge, Rechnungen und Formulare: Es ist enorm, was Senior*innen allein bewältigen müssen, wenn sie allein sind.

Wo finde ich das richtige Hilfsangebot?

Die Koordinator*innen von Seniorennetzwerken sind die Ansprechpartner*innen vor Ort. Sie haben eine Lotsenfunktion.

Was bieten Seniorennetzwerke:

  • Niedrigschwellige Beratung: Was tue ich bei Pflegebedürftigkeit, welche Angebote kann ich nutzen?
  • Welche Angebote gibt es im Quartier, im Stadtteil?
  • Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen
  • Sie bieten auch Hausbesuche an für Senior*innen, die nicht mehr mobil sind.

Seniorennetzwerke sind Bindeglied zwischen den verschiedenen Hilfsangeboten: Sie helfen den Menschen beim Navigieren durch den Dschungel der Hilfsangebote.

Darüber bietet SIGENA als Nachbarschaftstreff spezielle Angebote für ältere Menschen.
Die Mitarbeitenden sind Ansprechpartner für ältere Menschen, die zu Hause leben und Unterstützung und Beratung benötigen.

Ihr Angebot richtet sich an Senior*innen, die zu Hause leben könnten, wenn sie ein wenig Unterstützung hätten.

Eine wichtige Aufgabe ist, die Senior*innen zu erreichen und zu animieren. Hier setzen die Mitarbeiterinnen viel auf Mund-zu-Mund-Propaganda im Viertel. Sie arbeiten zusammen mit den Apotheken, mit Ärzt*innen, Kirchengemeinden und Seniorenämtern.

„Die Schwierigkeit ist tatsächlich nicht, die Senioren zu erreichen, die ohnehin aktiv sind und im Leben stehen. Die Schwierigkeit sind die Senior*innen, die zu Hause in ihren vier Wänden vereinsamen.“, weiß Inge Spiegel.

Sorgen im Alter
Welche Sorgen plagen Menschen im Alter?

Wo finde ich ehrenamtliche Hilfe?

Ehrenamtliche Hilfe im Alter
Ehrenamtlichen Helfer*innen verteilen gerettet Lebensmittel an ältere Menschen.

Nicht jedem liegt es, von sich aus auf andere Menschen zuzugehen. Oft sind Senior*innen auch nicht mehr mobil und gehen nicht mehr gerne aus dem Haus.
Deshalb ist die Arbeit mit Ehrenamtlichen ein wichtiger Baustein bei den Seniorennetzwerken. Ältere Menschen können sich melden, wenn sie sich zum Beispiel jemanden wünschen, der mit ihnen spazieren geht oder zum Kaffee trinken vorbeikommt.
Anna Miller und Inge Spiegel koordinieren die Ehrenamtlichen und achten darauf, dass es auch menschlich passt.

Struktur im Alltag gegen Alleinsein: Gruppen und Treffs

Seniorengymnastik
Sport- und Bewegungskurse gehören ebenfalls zum Angebot der Seniorennetzwerke.

Im SIGENA-Nachbarschaftstreff gibt es viele Angebote:

  • Kulturangebote für ältere Menschen, beispielsweise Lesungen oder Konzerte am Nachmittag
  • Kurse zur Sturzprophylaxe und Gedächtnistraining
  • Handarbeitsgruppen, es wird gemeinsam gestrickt oder genäht
  • Spiele-Gruppen, in denen regelmäßig Schach, Canasta oder andere Spiele gespielt werden
  • Ein gemeinsames Mittagessen einmal in der Woche: hier kochen freiwillige Helfer*inne für ältere Menschen, die alleine leben
  • Kostenlose Brotausgabe für Menschen aus der Nachbarschaft

Zum Teil finden die Angebote verteilt an verschiedenen Orten im Stadtteil statt.
Gemeinschaft ist nicht nur bei SIGENA wichtig: „Wir wissen, dass viele ältere Menschen sich kaum mehr ein komplettes Mittagessen kochen.“, sagt Inge Spiegel. Bei SIGENA essen die Senior*innen einmal in der Woche zusammen. Sie genießen die Gemeinschaft, unterhalten sich und feiern die Geburtstage zusammen.

Die Angebote sind niedrigschwellig und so gestaltet, dass auch Menschen mit einem schmalen Geldbeutel sie sich leisten können.

Die Mitarbeiterinnen wissen:

Die Wertschätzung von Senior*innen, die dabei sind, ist sehr hoch. Sie sind sehr glücklich, dass es uns gibt und dass die Angebote niederschwellig sind und sie für wenig Geld teilnehmen können.

Was ist was?

Quartiersarbeit bezieht sich auf ein spezielles Gebiet, ein Viertel, einen Kiez, ein Quartier.
Im Mittelpunkt der Quartiersarbeit stehen Menschen aller Altersgruppen, ungeachtet von Herkunft, Religion und persönlicher Geschichte. Durch gemeinsame Projekte und Vorhaben sollen sich Menschen begegnen können.
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Zusammen mit der wbg Nürnberg berät und unterstützt Diakoneo Menschen im Nürnberger Stadtteil St. Johannis. Die SIGENA-Koordinatorin berät über Angebote, die es Senior*innen ermöglichen, möglichst lange ein Leben in ihrer vertrauten Umgebung zu führen.
Darüber hinaus entwickelt und koordiniert der Stützpunkt Aktivitäten und Veranstaltungen in der Nachbarschaft.
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Auch die Diakoneo Seniorennetzwerke in den Nürnberger Stadtteilen Nürnberg-Nordstadt, Eberhardshof, Muggenhof, Gostenhof, Thon und Wetzendorf leisten Quartiersarbeit:
Gemeinsam mit dem Seniorenamt der Stadt Nürnberg knüpfen sie Netzwerke und schaffen Angebote wie Tanzkreise, Senioren-Stammtische, Literaturnachmittage, Spieletreffs und Themencafés.
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