Günther Hiessleitner hat sich über das Thema "Mitbestimmung in der Kita" unterhalten mit Petra Hinkl, Geschäftsführende Leiterin des Bereichs Dienste für Kinder bei Diakoneo.
Wenn wir fordern „Kinder brauchen Freiräume“, dann muss uns ja auch klar sein, dass Kinder den Umgang mit Freiräumen erst einmal lernen müssen. Wie machen Sie das in den Kitas von Diakoneo?
Petra Hinkl: Ein wichtiges Element in den Konzeptionen der Kitas ist die Partizipation, also die Beteiligung und Mitbestimmung der Kinder an wichtigen Entscheidungen. Dem Kind Freiraum zu geben und es zu beteiligen ist für mich das A und O, um die demokratischen Elemente in der Gesellschaft zu stärken. Menschen müssen ja irgendwann einmal lernen, was ihnen selber wichtig ist, wo sie sich zum Beispiel engagieren möchten, um etwas zu verändern. Sie müssen auch lernen, wie andere darauf reagieren, wenn sie ihre eigenen Ziele durchsetzen wollen. Da werden sie schnell merken, dass sie bestimmte Dinge aushandeln oder Kompromisse schließen müssen. Ich kann mir nicht einfach die Bauklötze nehmen, wenn sie andere Kinder auch haben wollen.
Ich bin überzeugt davon, wenn wir Kindern Freiräume geben und sie beteiligen, dann lernen sie, sich selber zu steuern und auf andere Rücksicht zu nehmen. Und sie erfahren, wenn sie selbst etwas wirklich wollen, dann können sie das in vielen Situationen durchsetzen.
Das sind sehr demokratische Grundprinzipien. Von daher ist für mich Freiheit und Beteiligung von Kindern eine Basisaufgabe in der Pädagogik, um eine demokratische Gesellschaft mit zu gestalten. Wenn ich will, dass Demokratie auch in Zukunft gut funktioniert, dann muss ich bei den Kindern anfangen. Das passt auch gut in unser christliches und diakonisches Weltbild, das Kinder als eigenständige Personen sieht und ihnen eine hohe Wertschätzung entgegen bringt.
Die ernsthafte Beteiligung von Kindern in der Kita stelle ich mir aber auch als Herausforderung für die Mitarbeitenden vor.
Petra Hinkl: Ja, das ist sehr wohl eine Herausforderung, denn oft genug müssen die Mitarbeitenden damit zurechtkommen, dass die Kinder etwas anderes wollen als sie selbst. Ein paar Beispiele:
In der Kita Sonnenschein in Bruckberg treffen sich am Mittwochmorgen die Drei- bis Sechsjährigen in der Turnhalle zum Morgenkreis. Alle sind schon bereit für die große Mittwochsfrage: Wer geht am Freitag mit in den Wald? Jedes Kind im Alter von 3 - 6 Jahren darf wöchentlich aufs Neue entscheiden, ob es am Freitag mit in den Wald gehen möchte. Um den Eltern die Kinderentscheidung mitzuteilen, erhalten die „Waldkinder“ einen Holzanhänger, welchen sie an ihrer Kitatasche befestigen. Dieser Anhänger zeigt den Eltern an, was das Kind am Freitag mitzubringen hat, um gut gerüstet auf Tour zu gehen. Den Anhänger bringen die Kinder Freitagmorgens wieder zurück mit in die Kita. Die Kinder gehen in den Wald, auch wenn es regnet und die Eltern vielleicht Bedenken haben. Für die Kinder kann das aber gerade mal schön sein, bei Regen in den Wald zu gehen, um vielleicht Schnecken zu sammeln. Dann kommen sie halt nass wieder und werden umgezogen, das ist dann gar kein Problem.
Lesen Sie hier mehr darüber, wie Partizipation in der Kita Sonnenschein in Bruckberg gelebt wird.
In einer anderen Kindertagesstätte hatten die Mitarbeitenden vor, zum Sommerfest ein Musical aufzuführen. Als die Kinder mit einbezogen wurden, kam es nicht zu einem Musical über Pumuckl und Meister Eder, sondern zu einer Reise ins Weltall, da dieses Thema am meisten Stimmen erhielt. Im Anschluss daran konnten die Kinder wählen, auf welchen Planeten die Reise gehen sollte und am Ende gab es einen Weltraumaufenthalt auf vier Planeten. Und am Schluss waren sich alle einig darüber, dass es hier auf der Erde am schönsten ist.
Kinder zu beteiligen erfordert viel Flexibilität und auch manche Kehrtwendung im eingefahrenen Kita-Betrieb. Aber auch die Eltern sind hier gefordert.
Wo sehen Sie im Hinblick auf das Thema „Kinder brauchen Freiräume“ Problemfelder bzw. Handlungsbedarf?
Petra Hinkl: Ich sehe heute die Gefahr, dass Kinder zu sehr verplant werden. Kinder müssen die Möglichkeit haben, sich auszuprobieren, herauszufinden, wo ihre Interessen sind, Erfahrungen mit dem zu machen, was gut läuft, was schlecht, wo ich erfolgreich bin oder wie ich mit Misserfolgen umgehe. Durch diese eigene Erfahrung geschieht ganz viel Kompetenzgewinn. Mir bereitet es Sorge, dass Kinder oft schon im Vorschulalter ein volles Programm haben. Sie gehen in den Kindergarten, dann zum Tanzen oder in den Sportverein und so weiter. Sie werden da meist hingefahren und wieder abgeholt. Ich frage mich dann, wo die Kinder selber ihren Tag planen können und wo da noch diese Zeiten sind, in die kein Erwachsener eingreift.
In der Kindertagesstätte realisierenwir das durch das Freispiel. Diese Zeiten sind ganz wichtig, auch wenn dieEltern das oft so wahrnehmen, dass die Kinder ja „nur spielen“. Im Freispielkann sich zum Beispiel jedes Kinder überlegen, ob es in die Bauecke will oder sicherlieber verkleiden möchte oder malen, einen Kuchen backen. Manche sitzen nur inder Ecke und machen nichts. Diese Freiheit brauchen die Kinder.
Dass Eltern Kinder so wenig selbst machen lassen, liegt ja häufig auch an den Ängsten, die sie haben. Es passiert ja so viel.
Petra Hinkl: Wenn man sich Studien und Untersuchungen ansieht, dann ist es eben gerade nicht so, dass heute viel mehr passiert als früher. Es hat nur eine ganz andere mediale Aufmerksamkeit. Beim Thema Kindesmissbrauch kommt dazu, dass es endlich aus der Tabu-Ecke herausgekommen ist. Das Thema hat heute eine ganz andere Öffentlichkeit als vielleicht noch vor zehn Jahren. Was natürlich sehr positiv ist.
Eigentlich ist es nicht gerechtfertigt, dass Eltern so viel Angst um ihre Kinder haben. Was besonders problematisch ist: Durch die ständige Beaufsichtigung nehmen die Eltern den Kindern die Chance, sich selber zu schützen. Kinder müssen lernen, sich im öffentlichen Raum zu bewegen. Genauso wie sie lernen müssen, wie sie sicher über die Straße kommen. Sie müssen lernen, wenn ein Erwachsener sie komisch anspricht, ganz schnell weg zu gehen oder sich an jemanden zu wenden bzw. einfach nein zu sagen. Wenn ich nie alleine bin, werde ich nie in die Situation kommen, in der ich mich selbst beweisen, selbst behaupten kann.
Die Diakonie Neuendettelsau führt zahlreiche Krippen, Kindergärten und Kinderhorte im Raum Ansbach, Roth, Nürnberg und Schwäbisch Hall. Alle Einrichtungen nehmen Kinder mit und ohne Behinderung auf:
Arbeiten mit Kindern bei Diakoneo
Die Mitarbeitenden in den 26 Kinderkrippen, Kindergärten und Horten bei Diakoneo sind ein starkes Team.
Gemeinsam entwickeln sie einrichtungsübergreifende Konzepte wie den Standard zur religionssensiblen Erziehung oder einen Standard zur Partizipation in der Kita.
In den einzelnen Einrichtungen haben die Teams Raum zur Umsetzung von spannenden Projekten wie zum Beispiel naturwissenschaftliche Montessori-Projekte oder Konzepten zur Medienpädagogik.
Alle Einrichtungen für Kinder arbeiten seit Jahren nach einem inklusiven Konzept.
Diakoneo legt großen Wert auf die Qualifikation der Mitarbeitenden. Diese entwickeln ihre Fähigkeiten und Kompetenzen in regelmäßigen Schulungen und Fortbildungen laufend weiter. Neugierig?
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