Eine Familie erzählt: Wie gestaltet sich der Alltag mit einem Jugendlichen mit Behinderung?

Wer mit einem Kind mit Behinderung lebt, muss gut organisiert sein – Offene Hilfen bieten Unterstützung

Wie wird Teilhabe bei Diakoneo gelebt?

Am 1. Januar 2017 ist das Bundesteilhabegesetz (BTHG) in Kraft getreten. Ziel dieses Gesetzespaketes ist es, Menschen mit einer Behinderung mehr Möglichkeiten zu Teilhabe und Selbstbestimmung in ihrem Wohnumfeld, am Arbeitsplatz und in der Freizeit zu ermöglichen.
Die Auswirkungen dieser Neuerungen auf den Alltag der Menschen mit Behinderung bei Diakoneo werden  im Online-Magazin immer wieder Thema sein.

 


 „Da kommt Kevin ja schon“, sagt Birgit Kartes, als der Schulbus vor der schmucken Doppelhaushälfte in der kleinen Gemeinde Neusitz bei Rothenburg ob der Tauber hält. Kevin ist der 18-jährige Sohn von Birgit Kartes. Er hat einen seltenen Gendefekt, das Xia-Gibbs-Syndrom. Wegen seiner Behinderung braucht er eine intensive Betreuung. Unterstützt wird Birgit Kartes dabei vom Team der Offenen Hilfen ARON von Diakoneo.

Thomas Schaller hat Kevin und seine Familie besucht und mit ihnen darüber gesprochen, wie sie ihren Alltag meistern und welche Unterstützung sie dabei durch die Offenen Hilfen bekommen:

Kevin hat zwei ältere Brüder. Nachdem er auf die Welt gekommen war, wussten seine Eltern lange nicht, dass sie ein Kind mit Behinderung haben. Im Alter von sechs Monaten wurde eine Entwicklungsverzögerung festgestellt. „Er war einfach anders als meine zwei Großen“, erinnert sich Birgit Kartes. Als Kevin etwa fünf Jahre alt war, nahm ein Arzt zum ersten Mal das Wort „Schwerbehinderung“ in den Mund.

Der Junge besuchte dann einen integrativen Kindergarten in Rothenburg. „Das war super, weil es da auch eine Heilpädagogin gab“, erzählt seine Mutter. Die Einschulung schob sie ein Jahr hinaus. Aber auch mit sieben Jahren war Kevin noch sehr klein und zierlich. „Am ersten Schultag hab ich geheult, weil mir bewusst wurde, wie krank unser Kind ist“, bekennt Birgit Kartes.

Wer sich mit Kevin unterhalten will, muss gut zuhören, denn seine sprachliche Entwicklung ist verzögert. „Er hat so seine eigene Sprechweise“, sagt seine Mutter, „aber wir verstehen ihn“.

Behinderung bringt Bürokratie

„Am Anfang wussten wir ja nichts. Ich habe viel gelesen, um mehr zu verstehen. Man wächst da rein. Ich habe so viel gelernt in meinem Leben mit Kevin“, berichtet Birgit Kartes. Zum Leben mit einem Kind mit Behinderung gehört auch eine Menge Bürokratie, wie zum Beispiel die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises und viele andere Anträge. Bei solchen Fragen können die Offenen Hilfen unterstützen.

Es hat lange gedauert, bis bei Kevin das Xia-Gibbs-Syndrom diagnostiziert wurde: „Bis vor drei Jahren wussten wir nicht, was unser Kind hat. Es gab nie ein Kind wie Kevin“. Erst nach stundenlangen humangenetischen Untersuchungen in Erlangen, für die die Eltern ihre eigenen Daten freiwillig zur Verfügung stellten, wurde der Gendefekt identifiziert. Typische Gesichtszüge, eine geringe Körpergröße und die Skoliose im Rücken sind Anzeichen dafür.


Unterstützung für Familie mit behindertem Kind
Tanja Danielis (links) und ihre Kollegin von den Offenen Hilfen ARON kümmern sich um Kevin (Bildmitte), wenn seine Mutter Birgit Kartes (rechts) verhindert ist. © Schaller

Schwierig: Berufstätigkeit und Betreuung unter einen Hut bringen

Für Birgit Kartes war es nicht immer einfach, ihre selbstständige Berufstätigkeit mit Kevins Betreuung unter einen Hut zu bringen, „und es ist heute noch nicht einfach“, sagt sie. Ganz besonders gilt das in den Ferienzeiten. Aber als gute Organisatorin hat sie es doch geschafft: „Mein Tag ist durchgetaktet, ich muss immer funktionieren, aber ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen“.
Um 5 Uhr morgens ist die Nacht für die Familie vorbei. Um 6.45 Uhr wird der junge Mann vom Schulbus abgeholt und kurz nach 16 Uhr wieder gebracht. Einer der beiden großen Brüder wohnt noch mit im Haus. Kevin hängt an seinen Brüdern, die berufstätig und im Studium sind und trotzdem ab und zu bei der Betreuung einspringen. Kevin ist als 18-Jähriger auf dem Entwicklungsstand eines Kleinkinds und immer in Bewegung. Allein kann er nicht sein.

Ordnung und Rituale sind im Alltag wichtig

Als Kevin nach Hause kommt, begrüßt er die Gäste mit einer fröhlichen und freundlichen Umarmung. Er hat es gern, wenn Besuch kommt und lädt auch gleich dazu ein, zum Abendessen zu bleiben. Wichtig sind ihm Ordnung und Rituale im Alltag – und eine Tasche, in der er seine Habseligkeiten aufbewahrt.

Wenn seine Mutter einmal keine Zeit hat, kann sie für fünf Stunden im Monat auf die Fachkräfte der Offenen Hilfen zurückgreifen. „Verhinderungspflege“ nennt sich das in der Fachsprache. In dieser kleinen Auszeit für die Mutter gehen ARON-Mitarbeiterinnen wie Katja Rimbach oder Tanja Danielis mit Kevin ins Schwimmbad oder in ein Restaurant. Birgit Kartes findet es beruhigend, dass ihr Sohn dann in den Händen von vertrauten Fachkräften ist, die sich mit den besonderen Anforderungen bei der Pflege von Menschen mit Behinderung auskennen.

Die Offene Hilfen unterstützen Familien mit einem Kind mit Behinderung

Die Verhinderungspflege und der Entlastungsbetrag werden von der Pflegekasse finanziert. Sobald ein Kind oder ein Pflegebedürftiger einen Pflegegrad hat, muss abhängig vom Pflegegrad eine viertel- oder halbjährliche Pflegeberatung erfolgen, wenn die Angehörigen beziehungsweise Eltern Pflegegeld beziehen.

Die Pflegeberatung der Offenen Hilfen geht über das Maß einer normalen Pflegeberatung weit hinaus, denn sie ist umfassend auf die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung und ihrer Angehörigen zugeschnitten. Sie beinhaltet neben den pflegerischen auch sozialrechtliche Inhalte. Der Beratungsbedarf ist nicht zuletzt deswegen hoch, weil sich unter anderem durch das neue Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderung viel verändert. Für Kevin, der im letzten Jahr 18 geworden ist, hat Birgit Kartes beim Bezirk ein „persönliches Budget“ beantragt. Damit werden Stunden für die Freizeitgestaltung finanziert. „Der Bürokratieaufwand für Eltern ist enorm“, erläutert Tanja Danielis von den Offenen Hilfen. Bei einer Personenkonferenz wird festgestellt, welchen Bedarf jemand hat.

Mehr Informationen zum Persönlichen Budget

Wie funktioniert der Umgang mit dem Persönlichen Budget? Auf was müssen Menschen mit einer Behinderung und ihre Angehörigen bzw. Betreuer achten? Mehr zu diesen Fragen lesen Sie in diesem Artikel.

Die Offenen Hilfen ARON

Wer als Mensch mit Behinderung beziehungsweise als Angehöriger oder Betreuer Angebote der Offenen Hilfen ARON (Ansbach, Rothenburg, Obernzenn, Neustadt/Aisch) in Anspruch nehmen möchte, sollten sich zunächst telefonisch oder per Mail melden: 

Diakoneo Offene Hilfen ARON
Heilig-Kreuz-Str. 2 a
91522 Ansbach
Tel.: +49 981 972230-0
E-Mail schreiben

Ansprechpartnerin für das Persönliche Budget: Christine Schott

 

Offene Behindertenarbeit und Offene Hilfen von Diakoneo

Die Offene Behindertenarbeit (OBA) und Offenen Hilfen von Diakoneo übernehmen vielfältige Aufgaben zur Förderung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben.

Kernaspekte unserer Arbeit sind zum einen die offenen Angebote für Menschen mit Behinderung, aber auch Beratung und Entlastung für deren Familien und Angehörigen, wie z. B. familienentlastender Dienst.

 

Unsere Standorte:

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