Die Werkstatt Bruckberg für Menschen mit Behinderung begegnet der Corona-Pandemie mit kreativen Ideen und viel Flexibilität

Vom Hygieneführerschein bis zu Laufpausen – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstatt helfen einfühlsam beim Umgang mit Corona


Hygienemaßnahmen während Corona in einer WfbM
Aktuell arbeiten in der Werkstatt Bruckberg nur Menschen zusammen, die auch gemeinsam in einer Wohngruppe leben. Deswegen müssen sie in der Kleingruppe keine Masken tragen. © Diakoneo/ WfbM Bruckberg


Im ersten Lockdown musste die Werkstatt Bruckberg, wie viele andere, von heute auf morgen geschlossen werden. Werkstattleiter Marco Michel und sein Team haben deshalb ein Konzept erarbeitet, welches eine erneute Komplettschließung verhindern sollte. Die Arbeitsgruppen wurden so umorganisiert, dass nur noch Menschen zusammenarbeiten, die sowieso gemeinsam in einem Wohnbereich leben. Dadurch reduzieren sich die Kontakte in der Werkstatt erheblich.Sogar der Werkstattrat und der Berufsbildungsbereich haben sich neue Wegeüberlegt.

Claudia Pollok hat mit Marco Michel, dem Leiter der Werkstatt und der Förder- und Seniorentagesstätten in Bruckberg, über das Hygiene-und Abstandskonzept gesprochen.

Die Corona-Pandemie ist für Menschen mit Behinderung besonders schwer, weiß Marco Michel. Doch der Werkstattleiter sieht auch Chancen für die Zeit nach der Krise. Denn die Werkstatt Bruckberg ist für die Beschäftigten mehr als ein Arbeitsplatz. Das Arbeiten in der Werkstatt hilft ihnen, den Alltag zu strukturieren und ist ein Ort für Begegnungen. Als die Werkstatt im ersten Lockdown schließen musste, änderte sich das Leben für die Beschäftigten von einen auf den anderen Tag. Ihnen fehlten die sozialen Kontakte, ihr gewohntes Umfeld und ihre Arbeit sehr.

Deswegen hat Marco Michel ein Konzept entwickelt, das Werkstattkontakte auf ein Minimum reduziert. „Wir wollten unbedingt verhindern, noch einmal in den Lockdown gehen zu müssen. Deswegen haben wir die Arbeitsgruppen so umorganisiert, dass sie den Wohngruppen entsprechen“, erklärt Marco Michel. „Denn wenn in einer der Wohngruppen ein Corona-Fall auftritt, muss nicht die gesamte Werkstatt in Quarantäne, sondern nur die Gruppe.“

Das war bei rund 260 Beschäftigten eine große logistische Herausforderung. Denn um die Abstände zwischen den verschiedenen Gruppen einhalten zu können, musste erst einmal genügend Raum geschaffen werden. „Wir nutzen im Moment die Werkstatt, das alte Schulhaus, die Förder- und Seniorentagesstätten und die Therapieräume. Daneben arbeitet ein Teil der Beschäftigten in ihren Wohngruppen.“


Hygienemaßnahmen während Corona in einer WfbM
Feste Laufwege und Hygienemaßnahmen gehören für die Menschen mit Behinderung mittlerweile zum Alltag. © Diakoneo

„Manche sind regelrecht aufgeblüht“

Eine weitere Hürde war die Neuverteilung der Arbeit: „Da wir die Gruppen neu organisiert haben, mussten viele Beschäftigte eine ungewohnte Arbeit aufnehmen“, berichtet der Werkstattleiter. Doch anders als zunächst befürchtet, haben sich die Menschen mit Behinderung damit gut arrangiert. „Manche sind durch ihre neue Rolle regelrecht aufgeblüht und haben neue Fähigkeiten entwickelt. Das hat uns für die Zukunft gezeigt, dass Flexibilität durchaus positive Effekte hervorbringen kann.“

Natürlich lassen sich nicht alle Tätigkeiten einfach umverteilen, wie zum Beispiel das Korbflechten – für das die Werkstatt Bruckberg bekannt ist. „Dafür braucht es eingeübte Fingerfertigkeiten, die nicht so schnell zu erlernen sind. Im Moment arbeiten die Beschäftigten der Korbflechterei nicht in ihrer ursprünglichen Gruppe. Ein Teil dieser Arbeitsgruppe erhält diese alte Bruckberger Tradition aber weiter aufrecht. Gemeinsam mit ihrem Gruppenleiter arbeiten sie unter neuen Bedingungen in einem separaten Gebäude.“

Für Marco Michel hat sich das Konzept ganz klar bewährt: „Unsere Beschäftigten sind froh darüber, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen und durch unsere Verlässlichkeit konnten wir in der Corona-Pandemie sogar einen neuen Auftraggeber im Bereich Online-Versand gewinnen.“

Werkstatt-Rat und Berufsbildungsbereich geht neue Wege

Der Werkstatt-Rat Bruckberg hat sich auch Gedanken gemacht: Wie kann er den Kontakt zu den Beschäftigten am besten pflegen? Bisher ist der Werkstatt-Rat immer persönlich zu Gesprächen in die einzelnen Arbeitsgruppen gekommen, erklärt Marco Michel. Das ist jetzt während dieser Pandemie nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Deshalb geht auch der Werkstatt-Rat neue Wege: Zum Beispiel fand die Werkstattversammlung nicht in Präsenz statt, sondern wurde als Powerpoint per Video aufgenommen. Für die Weihnachtsfeier in den einzelnen Gruppen hat der Werkstatt-Rat für jede Arbeitsgruppe eine Weihnachtskiste gepackt und dafür eine eigene CD aufgenommen. Aktuelle Themen werden in monatlichen Newsletter zusammengefasst. An Werkstatt übergreifenden Sitzungen nehmen Mitglieder des Werkstatt-Rats online teil. Die Einübung und der Umgang mit der Technik haben den Horizont aller erweitert und ermöglichen Beziehungspflege.


Der Werkstattrat Bruckberg hat für die Weihnachtsfeier eigens eine CD aufgenommen. © Diakoneo

In Abstimmung mit der Agentur für Arbeit wurde für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich ein alternatives Durchführungskonzept entwickelt, erzählt Marco Michel weiter: „Die Teilnehmer erhalten regelmäßig Lernpakete während der Zugangssperren oder wenn sie in anderen Gruppen untergebracht sind. Mitarbeiter unterstützen bei der Bearbeitung der Lernpakete. Die Inhalte richten sich nach dem Lehrplan und werden individuell erstellt.“

Corona-Führerschein und Feuerspucker-Show

Doch trotz aller Vorteile des Hygiene-und Abstandskonzepts geht es den Beschäftigten nicht anders als anderen Menschen im Homeoffice, weiß Marco Michel: „Jeden Tag mit denselben Menschen zu leben und zu arbeiten, birgt zwischenmenschliche Konflikte. Den Beschäftigten fehlen die Freunde außerhalb der Wohngruppe, die Sport- und Freizeitangebote und Ausflüge.“ Deswegen achten die Mitarbeitenden der Werkstatt sehr genau darauf, wie es den Beschäftigten geht und machen viele Pausen. „Wenn wir sehen, dass es jemanden zu viel wird, holen wir ihn aus der Gruppe heraus. Wir führen zum Beispiel Gespräche oder laufen eine Runde und es wurde sogar ein zusätzlicher Boxsack angeschafft – um einfach mal Frust abzulassen.“

Insgesamt gehen die Menschen mit Behinderung aber sehr verständnisvoll mit der Pandemie-Situation um, berichtet der Werkstattleiter: „Unsere Beschäftigen halten sich sehr gut an die Hygiene-und Abstandsregeln.“ Um diese anschaulich zu gestalten, haben Beschäftigte im Bereich Wohnen einen Corona-Hygiene-Führerschein gemacht. „Wer ihn geschafft hat, bekommt einen Ausweis“, erklärt Marco Michel und fügt lachend hinzu: „und wie im echten Leben kann er bei Nichtbeachten der Regeln auch abgenommen und wieder neu erworben werden.“

Um nach dem langen Winter wieder für mehr Abwechslung zu sorgen, plant Marco Michel im Frühjahr ein paar Auftritte im Innenhof, bei denen die Beschäftigten vom Fenster aus zu sehen können. So dürfen sich die Menschen mit Behinderung bald auf einen Posaunenchor, einen Freiluft-Gottesdienst und eine Feuerspucker-Show freuen.

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