Laura ist endlich angekommen: Auf der Suche nach einem guten Lebenssetting für ein Mädchen mit Behinderungen
Von Dennis Isik
Laura Fischer ist 14 Jahre alt. Mit ihrem Verhalten fordert sie das Begleitsystem und die sie begleitenden Menschen bis über Grenzen hinaus. Nach intensiver Suche wohnt sie jetzt in einem individuellen, personenzentrierten Wohn- und Betreuungssetting.

Laura Fischer lebt mit ihren vierzehn Jahren bereits ihr halbes Leben bei uns in der Einrichtung, bei Diakoneo in Neuendettelsau. Zunächst in einer klassischen Wohngruppe der Eingliederungshilfe mit sieben weiteren Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern. Laura Fischer hat uns in all den Jahren der Begleitung immer wieder mit Auto- und Fremdaggressionen und anhaltenden Schreianfällen gefordert. In der Pubertät intensivierte sich das herausfordernde Verhalten massiv, parallel zum körperlichen Wachstum und den beginnenden hormonellen Veränderungen. Ein stationärer Aufenthalt in einer Spezialklinik empfahl für die weitere Begleitung ein möglichst reizarmes Setting, Polsterung des Zimmers, Time-Out-Maßnahmen sowie einen erhöhten Personalschlüssel.
Kontakte kann das Mädchen nur schwer ertragen
Laura Fischers Verhalten machte eine adäquate und ihr gerecht werdende Begleitung in ihrer damaligen Wohngruppe, sowie allgemein im Setting unserer Einrichtung, nicht mehr möglich. Sie zeigte massives selbst- und fremdverletzendes Verhalten, schrie laut und anhaltend, zog sich zurück und konnte Kontakte nur schwer ertragen. Angebote oder gar die Teilnahme am Gruppengeschehen waren ihr nicht mehr möglich. Der gesamte Tagesablauf musste separat von der restlichen Wohngruppe erfolgen. Alltags-Situationen wie Essen, Hygiene oder Spaziergänge waren nur unter deutlich erhöhtem Personalaufwand und mit ihr alleine zu bewerkstelligen. Das Tragen eines Kopfschutzhelms zum Selbstschutz war den gesamten Tag über erforderlich.
Unterstützungsdienst im Hintergrund
In Rücksprache mit dem zuständigen Leistungsträger wurden kurzfristig zusätzliche Mittel bewilligt: die Zusage eines individuell auf Laura Fischer abgestimmten Personalschlüssels sowie der Einsatz eines Unterstützungsdienstes. Die Anwesenheit dieses Unterstützungsdienstes entlastete die Mitarbeitenden der Wohngruppe und nahm Ängste die aufgrund des herausfordernden Verhaltens von Laura Fischer (selbst- wie fremdverletzend) auftraten. Der Unterstützungsdienst hält sich im Alltag der Wohngruppe im Hintergrund, begleitet kritische Situationen und greift nur im Notfall ein.
Frage der Kostenübernahme
Eine deutschlandweite Suche nach einer geeigneten Einrichtung bzw. einem Setting um Laura Fischers Bedürfnissen gerecht zu werden, blieb auch nach über siebzig Anfragen erfolglos. Hierbei wurde eine Problematik sehr deutlich, die Laura Fischer leider mit vielen anderen Menschen teilt, Menschen, die bestehende Systeme und deren Möglichkeiten herausfordern, prüfen oder sogar sprengen. In Regelsettings finden sich diese Menschen nicht zurecht: Klientinnen und Klienten, die einen kleineren, auf sie abgestimmten Rahmen benötigen und es am schwersten haben, genau das zu bekommen. Zu große Nachfrage auf zu wenige Plätze, lange Wartelisten und die oft kritische Frage der Kostenübernahme.
Große Einzelzimmer, eigenes Bad
Aufgrund der erfolglosen Suche und den ungünstigen Bedingungen auf Laura Fischers Wohngruppe erarbeiteten wir deshalb intern eine Lösung. Vor etwa zwei Jahren konnte Laura Fischer in eine andere Gruppe umziehen. Diese war schrittweise verkleinert worden und bietet aktuell vier jugendlichen Bewohnern ein Zuhause. Die Besonderheit ist hierbei, dass sie alle genau wie Laura Fischer ein klassisches Regelsetting „sprengen“. Sie zeigten dort Überforderung und ihren Bedürfnissen konnte nicht gerecht begegnet werden.
Die Wohngruppe ist räumlich eigentlich für ein Regelsetting mit acht Bewohnern ausgelegt. So bietet sie Laura Fischer und ihren Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern nun neben großen Einzelzimmern mit eigenem Bad, einem separaten Garten mit barrierefreiem Zugang auch eine spürbare akustische Entzerrung durch die reduzierte Bewohneranzahl.
Dabeisein selbst bestimmen
Die zusätzlichen Räumlichkeiten werden für Therapie- und Entspannungsangebote und Förderung genutzt. Durch verschiedene Sitzmöglichkeiten in der Gruppe kann Laura Fischer selbst bestimmen, wie viel sie am Gruppengeschehen teilnehmen möchte. So kam es nach ihrem Umzug dazu, dass sie zunächst viel Zeit im Gang auf einem Sofa verbrachte und Situationen beobachtete. Inzwischen verbringt sie viel Zeit im Wohnzimmer oder der Küche und kann auch mit dem dort vorherrschenden Lärmpegel gut umgehen.

Laura Fischer verfügt über ein gepolstertes Zimmer mit einem auf ihre Bedürfnisse individuell abgestimmten Farbkonzept. Der Unterstützungsdienst begleitet weiterhin den Tagesablauf im Hintergrund. Durch die personenbezogenen Zusatzleistungen kann ein erhöhter (und auch notwendiger) Personalschlüssel umgesetzt werden. Hinzu kommen weitere einrichtungsinterne Angebote: heilpädagogische Unterstützung, therapeutisches Reiten, Sportangebote. Für die Mitarbeitenden besteht die Möglichkeit zur Weiterbildung und Supervision. Das Team ist nach dem professionellen Deeskalationsmanagement von ProDeMa geschult.
Basis für Lernerfolge und Entwicklung
Mit diesen Bedingungen als Grundlage kann auf kritische Situationen besser reagiert werden. Es wird möglich individuell und ohne zeitlichen Druck auf Laura Fischers Wünsche und Bedürfnisse eingehen zu können. Dies wiederum vermittelt Sicherheit und schafft die Basis für Lernerfolge und Entwicklung.
Durch den internen Umzug und die Schaffung eines speziell auf Laura Fischer zugeschnittenen Wohn- und Betreuungssetting, haben sich herausfordernde Verhaltensweisen reduziert. Das laute und anhaltende Schreien ist deutlich zurückgegangen, ebenso wie die teils massiven Selbstverletzungen. In guten Phasen gelingt es Laura Fischer den Großteil des Tages ohne Helm zu bewältigen und die Notwendigkeit ihn aufzusetzen selbst anzuzeigen. Pflegesituationen haben sich merklich entspannt, die Mahlzeiten können wieder in Gesellschaft stattfinden.
Allgemein ist eine größere Offenheit bzw. Orientierung nach außen zu bemerken: Der massive Rückzug in das eigene Zimmer hat deutlich abgenommen. Laura Fischer zeigt Interesse an ihrer Umwelt, beobachtet aktiv und nimmt bewusst wahr was um sie herum geschieht. Sie kann eigenständig Entspannungsangebote wahrnehmen oder anzeigen dass sie diese machen möchte. Gerade im Sommer verbringt sie viele Stunden im Pool. Laura Fischer zeigt ihre Wünsche und Bedürfnisse auf einer nonverbalen Ebene sehr gut an, so nimmt sie oftmals einen Mitarbeitenden an die Hand und führt diesen z. B. ins Bad, wenn sie frisch gemacht werden möchte.
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
Früher verursachten auch nur geringste strukturelle Abweichungen oder Veränderungen der Routine eine große Herausforderung, die durch massives herausforderndes Verhalten begleitet wurde. Mittlerweile hat Laura Fischer eine merkliche Flexibilität und gewisse Anpassungsfähigkeit entwickelt. Sie kann mit Wartezeiten oder der Nichterfüllung eines Bedürfnisses besser umgehen. Auch das Anzeigen von ja/nein gelingt ihr in der Regel ohne selbst- oder fremdverletzende Verhaltensweisen.
Natürlich unterliegt Laura Fischers Verhalten Schwankungen, die stellenweise sehr abrupt auftreten und die immer wieder deutlich demonstrieren, warum sie genau dieses Setting benötigt. Aber letztlich bildet die gelebte multiprofessionale Zusammenarbeit den Schlüssel, um Laura Fischer das bestmögliche Lebens- und Lernumfeld zu bieten, sie zu fördern und sie in ihrer Entwicklung innerhalb ihrer Möglichkeiten zu unterstützen. Alles in allem können wir sagen: Es wirkt, als wäre sie angekommen, die Wohngruppe Grün ihr Zuhause.
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