Wahlveranstaltung in leichter Sprache zu den Kommunalwahlen in Bayern

Oberbürgermeisterwahl in Rothenburg: Menschen mit einer Behinderung bereiten sich vor


Wahlrecht für Menschen mit Behinderung in Bayern

Bei den Kommunalwahlen in Bayern 2020 dürfen auch Menschen mit einer Betreuung für alle Angelegenheiten wählen.
Im vergangenen Jahr urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass ein pauschaler Wahlausschluss von Menschen mit Behinderung, die einen Betreuer haben verfassungswidrig ist, da es der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen widerspreche. 
In Bayern dürfen nun also alle Menschen mit Behinderung ab 18 Jahren, die eine deutsche Staatsbürgerschaft haben, seit zwei Monaten in Bayern leben und im Wählerverzeichnis eingetragen sind, wählen. Ausgeschlossen von Wahlen werden Menschen mit geistiger Behinderung bei denen ein Gericht die Teilnahme an Wahlen verboten hat.


Die Bewohnerinnen und Bewohner des Bereichs Wohnen Rothenburg sitzen gespannt im Gemeindesaal von Gebsattel und warten gemeinsam mit ihren Betreuern auf den Beginn der Informationsveranstaltung. Über 20 Personen sind gekommen, um sich über die Kommunalwahl in Bayern zu informieren. Einige von ihnen blicken neugierig zu den anwesenden Politikern, die sich und ihre Ideen bei der Veranstaltung vorstellen wollen.
Eingeladen sind die Kandidaten um das Amt des Oberbürgermeisters in Rothenburg: Die Kandidatin Martina Schlegel, der Kandidat Markus Naser, sowie Heidi Hahn, als Vertretung für Kandidat Harry Scheuenstuhl nahmen an der Informationsveranstaltung teil und stellten sich in einfacher Sprache vor.

Christin Kohler hat die Informationsveranstaltung in einfacher Sprache besucht:

Wie können sich Menschen mit Behinderung über ihr Wahlrecht informieren?

Da die Menschen mit Behinderung in den Einrichtungen am Standort Rothenburg wahlberechtigt sind und dieses Recht auch nutzen möchte, haben ihre Betreuer überlegt, welche Möglichkeiten es gibt, um sie über die anstehende Kommunalwahl 2020 zu informieren. "Nachdem 2019 die ersatzlose Streichung der Wahlrechtsausschlüsse im Bundeswahlgesetz und im Europawahlgesetz beschlossen wurde, entstand bereits im Herbst die Idee unseren Personenkreis entsprechend über ihre Rechte und Möglichkeiten zu informieren" berichtet Organisatorin Heidemarie Dawidziuk vom Heilpädagogischen Fachdienst.

Es ist unsere Aufgabe, die Bewohner über ihre Rechte und Möglichkeiten als Wähler zu informieren.

Heidemarie Dawidziuk, Heilpädagogischer Fachdienst


Zu Beginn des Jahres fing Heidemarie Dawidziuk deshalb an zu recherchieren und bestellte die zur Verfügung stehenden Unterlagen, nämlich das Heft der Bayerischen Staatsregierung  "Einfach verstehen! Die Kommunal-Wahlen in Bayern"

"Das Heft mit dem Text in Leichter Sprache, erschien mir als Orientierungshilfe, aber nicht als alleinige Möglichkeit. Ich wollte etwas eigenes für unseren Personenkreis entwickeln, in leichter Sprache und mit den bereits vertrauten Symbolen" erklärt Heidemarie Dawidziuk. 

Wahlveranstaltungen und Informationsabende werden zwar angeboten, aber nicht auf die Bewohner des Bereichs Wohnen abgestimmt. Ihr sei besonders wichtig gewesen, dass die Präsentation außerhalb der Einrichtung stattfindet. Deshalb organisierte sie die Informationsveranstaltung. Zudem lud die Mitglieder der Bewohnervertretung am Standort Rothenburg die Oberbürgermeisterkandidaten ein, damit die Bewohnerinnen und Bewohner die Personen kennen lernen konnten, die für das Amt des Oberbürgermeisters/ der Oberbürgermeisterin kandidieren.



Präsentation zum Wahlrecht in leichter Sprache

Entsprechend den Fähigkeiten der Menschen mit geistiger Behinderung wurde eine Präsentation in leichter Sprache und mit Symbolen gestaltet. Anhand dieser wurden allgemeine Informationen zur Wahl, der Ablauf einer Wahl, sowie die verschiedenen Stimmzettel erklärt. Auch erklärten die Organisatoren, dass sich die Menschen mit Behinderung bei auftretenden Problemen an Wahlhelfer und Wahlhelferinnen wenden können und es die Option der Briefwahl gibt. 



Die teilnehmenden Kandidaten verzichteten bei ihren Beiträgen auf Fachbegriffe und gingen auf die Reaktionen und Zwischenfragen der Teilnehmenden ein. Die Bewohnerinnen und Bewohner zeigten vor allem großes Interesse daran, woher die Kandidaten kommen und welchen Beruf sie bisher ausüben. Die Bewohnerinnen und Bewohner hatten durch die Veranstaltung die Möglichkeit, ihre Fragen direkt an die Kandidaten zu stellen und diese bemühten sich ihre Antworten in einfacher Sprache zu formulieren.
Im Vorfeld zur Veranstaltung bereiteten die Betreuerinnen und Betreuer gemeinsam mit den Menschen mit Behinderung Fragen vor, die sie an die Kandidaten stellen wollten. Dies schaffte die Möglichkeit, dass auch Menschen mit erheblichen Einschränkungen ihre Fragen an die Kandidaten stellen konnten.


Information Kommunalwahl Menschen mit Behinderung
Wie sieht der Stimmzettel zur Kommunalwahl aus? Die Bewohner aus Rothenburg informierten sich. © Kohler

Interesse und Teilhabe am kommunalen Leben

Bei der Fragerunde wurde deutlich, dass die Menschen mit Behinderung großes Interesse am kommunalen Leben in Rothenburg haben und sie ihre Vorschläge und Anmerkungen einbringen möchten. Besonders alltägliche Themen, wie nicht behindertengerechte Einstiegsmöglichkeiten bei Bussen, fehlende Zebrastreifen und gefährliche Straßenüberquerungen beschäftigen sie.


Wahlinformation für Menschen mit Behinderung
Die Menschen mit einer Behinderung haben großes Interessen, sich am kommunalen Leben in Rothenburg zu beteiligen. © Kohler

Einige der teilnehmenden Menschen mit Behinderung sind zudem in der Stadt Rothenburg im Inklusionsbeirat aktiv. Der Inklusionsbeirat vertritt die Interessen von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Damit soll das Ziel erreicht werden, dass die Teilhabe eines jeden Menschen am öffentlichen Leben gefördert und weiterentwickelt wird. Auch dies zeigt, dass sich Menschen mit geistiger Behinderung engagieren und Vorschläge einbringen wollen. Die bei der Veranstaltung gestellten Fragen und Anmerkungen können gesammelt im Inklusionsbeirat eingereicht werden, sodass diese auch tatsächlich bei den Verantwortlichen ankommen. Auf diese Weise ist es auch Menschen mit Behinderung, mit Unterstützung von Betreuerinnen und Betreuern, möglich, aktiv am kommunalen Leben teilzunehmen. 

Die Wahlveranstaltung ist ein gutes Beispiel dafür, wie Inklusion gelebt werden kann. "Gelebte Inklusion bedeutet für mich Personen in dem Fall die Bürgermeisterkandidaten zu uns einzuladen, um in einem geschützten Rahmen zu diskutieren. Ich glaube dies war auch während der Veranstaltung erlebbar, da die Bürgermeisterkandidaten sich auf die Ebene unserer Klienten begeben haben und eine rege und offene Diskussion entstanden ist", erklärt Heidemarie Dawidziuk zufrieden. 

Zur Broschüre "Einfach verstehen! Die Kommunal-Wahlen in Bayern" 

Begegnung auf Augenhöhe

Dass Menschen mit Beeinträchtigung gleichberechtigt und chancengleich behandelt werden sollen, wird bereits seit vielen Jahren auch gesetzlich geregelt:
Im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), im Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und seit 1. Januar 2017 im Bundesteilhabegesetz (BTHG).

Jürgen Zenker, Vorstand Dienste für Menschen Diakoneo, betont, dass der sogenannte Paradigmenwechsel von der Fürsorge zur Selbstbestimmung bereits in den 90er Jahren begonnen hat: 
„Seitdem arbeiten wir stets konsequent daran, allen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Wir orientieren uns am individuellen Bedarf des Einzelnen und stellen die Wahrung eines, so weit wie möglich, selbstbestimmten Lebens in den Vordergrund. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu realisieren ist dabei das wichtigste Ziel in allen Lebensbereichen."

Leben und Arbeiten in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung von Diakoneo

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Zu den Angeboten für Menschen mit Behinderung in Bayern und Baden-Württemberg

 

Expertin im Heilpädagogischen Fachdienst
Die Heilpädagogin Heidemarie Dawidziuk arbeitet im Heilpädagogischen Fachdienst in Rothenburg odT.

Wichtig bei ihrer Arbeit ist ihr:

"WEGE, MÖGLICHKEITEN SCHAFFEN, UM DEN GLEICHEN WEG ZU GEHEN UND GEMEINSAM DIE HINTERNISSE ZU BEWÄLTIGEN."

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