Ehrenamt in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen

Ein Gespräch mit Waltraud und Walter Hacker aus Neuendettelsau

Sie sind schon seit über 25 Jahren ehrenamtlich in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen tätig. Wie kam es dazu?

Walter Hacker: Unsere Tochter Jasmin absolvierte ein Praktikum im Christophorus-Heim, im Wohnheim für Menschen mit Behinderungen in Neuendettelsau. Sie überlegte, wie sie sich beruflich entwickeln wollte und schaute sich in verschiedenen Einrichtungen um. Da brachte sie eines Tages einen der jugendlichen Bewohner, Andreas Wenzel, mit nach Hause und so hat sich langsam der Kontakt zu ihm und dann auch seinen drei Brüdern entwickelt. Das war ganz unkompliziert und gar nicht geplant. Im Lauf der Zeit kamen die Brüder dann immer öfter zu uns.

Andreas und auch seine Brüder Christian, Günther und Florian können nicht sprechen. Sie können einige andere Worte sagen, unter anderem auch Mama und Papa und so haben sie uns dann auch angesprochen. Ihre Mutter war einige Zeit vorher gestorben und für den Vater allein war das alles recht viel, so dass alle vier als Jugendliche nach Neuendettelsau kamen.


Waltraud und Walter Hacker in ihrem Garten.
Seit 25 kümmert sich das Ehepaar Hacker ehrenamtlich um Menschen mit Behinderung: Wir haben nicht nur gegeben, sondern sehr viel zurückbekommen.

Was haben Sie denn mit den Jungs unternommen?

Waltraud Hacker: Es waren ja nicht immer alle gleichzeitig da. Mal einer, mal zwei. Manchmal auch alle vier, aber das war gar nicht so schwierig wie man sich das von außen vorstellt. Wir haben die vier Jungs einfach in unsere Familie integriert. Sie waren oft an Weihnachten bei uns oder zu anderen Festen oder auch zu ihren Geburtstagen. Manchmal haben sie auch bei uns übernachtet. Wenn sie da waren, war das ganz selbstverständlich. Sie saßen mit am Küchentisch, haben mit uns Karten gespielt oder zum Backen Nüsse aufgemacht oder aus dem Keller die Limonade geholt.

Walter Hacker: Dabei sind die vier recht unterschiedlich in ihrer Art und auch in ihrem Bewegungsdrang und wir mussten uns schon auf sie einstellen. Manchmal habe ich mit zweien von ihnen einfach eine kleine Spazierfahrt mit dem Auto unternommen, das hilft dann, um ein bisschen zur Ruhe zu kommen. Andreas ist manchmal sehr aufgeregt und muss sich ständig bewegen oder alle zehn Minuten auf die Toilette gehen. Christian saß oft ganz ruhig bei uns am Küchentisch und konnte sich gut beschäftigen.

Ab und zu sind wir mit allen vier Brüdern in eine Gaststätte gegangen. Da gab es manchmal auch heftige Reaktionen von anderen Gästen, die uns mitleidig anschauten. Die Jungs sagen ja auch heute noch Mama und Papa zu uns und irgendwie bleiben sie auch als Erwachsene ein Teil unserer Familie.

Waltraud Hacker: Das war alles gar nicht so schwierig, auch wenn ich heute zurückschaue. Sicher gab es Höhen und Tiefen, aber wir nahmen sie einfach immer mit bei dem was wir ohnehin zu tun hatten, sei es zu Besuchen bei meiner Mutter in Merkendorf oder zu Ausflügen in den Wald, um den Weihnachtsbaum zu holen. Auch wenn sie nicht sprechen können, so wissen sie vieles und können sich auch verständlich machen. Das ging schon irgendwie. Und heute erinnern sie sich auch an Dinge, die wir damals unternommen haben.

Fühlten Sie sich damals nicht unsicher im Umgang mit Menschen mit Behinderungen?

Waltraud Hacker: Ach nein, wir hatten beide ja auch berufliche Anknüpfungspunkte an die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen und für uns war das ganz selbstverständlich, auch wenn wir nicht aus der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen kommen.

Wir sind 1979 aus Wiesloch in der Nähe von Heidelberg nach Mittelfranken gekommen. Walter hatte damals als Diakon die Stelle des Leiters des JUZ, des Jugendzentrums in Neuendettelsau, bekommen und er hat vieles initiiert, was Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam tun können.

Walter Hacker: Ich wurde 1945 in Mannheim geboren und hatte zunächst eine Ausbildung zum Rundfunk- und Fernsehtechniker absolviert. Schon immer war ich ehrenamtlich in der Jugendarbeit in der Gemeinde engagiert. Das hat mir so gut gefallen, dass ich mich irgendwann umorientierte und zum Diakon ausbilden ließ. Bei einem Praxiseinsatz in der oberbayerischen Herzogsägmühle lernte ich Waltraud kennen, die dort gerade ein Anerkennungspraktikum ihrer hauswirtschaftlichen Ausbildung absolvierte.

Waltraud Hacker: Ich stamme aus dem mittelfränkischen Merkendorf und bin da auf einem Bauernhof aufgewachsen. In Würzburg habe ich eine hauswirtschaftliche Ausbildung absolviert und dann verschiedene Praktika gemacht unter anderem in einer Großküche in Murnau, später am Bodensee und dann eben auch in der Herzogsägmühle. Als hauswirtschaftliche Leiterin ging ich dann nach Stuttgart an eine Blindenschule. Da war der Weg nach Mannheim nicht mehr so weit, wo Walter damals lebte. Wir waren uns ja schon sicher, dass wir unseren Weg gemeinsam gehen wollten!

Ich machte dann noch eine Ausbildung zur Hauswirtschaftsmeisterin in Mannheim und nach der Geburt unserer beiden Töchter Miriam und Jasmin gingen wir nach Heidelberg. Dort hatte Walter eine Stelle als Diakon bekommen und von dort ging es dann nach Mittelfranken. Ich wollte gar nicht recht weg aus Heidelberg. Mir gefiel es dort wirklich gut. In Neuendettelsau habe ich dann insgesamt dreizehn Jahre lang an der Schule für Hauswirtschaft unterrichtet bis ich in ein Förderzentrum für Menschen mit Behinderungen nach Nürnberg wechselte und dort nochmals dreizehn Jahre bis zu meinem Ruhestand blieb.

Hat sich der Kontakt zu den Brüdern verändert, jetzt wo sie erwachsen geworden sind?

Walter Hacker: Die Brüder sind heute alle zwischen dreißig und vierzig Jahre alt. Und unsere eigenen Töchter sind inzwischen ja auch erwachsen geworden, da gestaltet sich das Miteinander natürlich nicht mehr so intensiv. Außerdem haben wir inzwischen vier Enkelkinder und sind auch von anderer Seite gefordert. Ich betreue nach wie vor das Löhe-Zeit-Museum in Neuendettelsau und bin in der Gemeinde St. Nikolai in der Seniorenarbeit tätig.

Aber es ist in Ordnung, wie es ist. Wenn die Jungs uns brauchen, dann ruft uns jemand aus der Diakonie an und wir überlegen, ob wir etwas tun können und wenn ja, was. Die vier arbeiten ja inzwischen auch schon lange in der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen in Neuendettelsau und haben eigene Aufgaben.

Würden Sie heute etwas anders machen?

Waltraud Hacker: Wenn wir zurückschauen sind nicht nur wir es, die etwas gegeben haben. Auch von den Jungs kam viel. Wir haben gelernt, dass man sich auch an den kleinen Dingen des Lebens freuen kann und sie machen uns immer wieder darauf aufmerksam.

Walter Hacker: Außerdem haben alle vier eine große Fähigkeit, sich auf andere Menschen einzustellen. Das ist oft wirklich erstaunlich. Vieles hat sich in den letzten Jahren auch verändert. Wir sind älter geworden und die Diakonie ist enorm gewachsen, da braucht es heute andere Prozesse als früher. Wir haben das all die Jahre wirklich gerne gemacht und stehen auch heute noch zur Verfügung, wenn wir es möglich machen können.

Sind Sie an einer ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Diakonie Neuendettelsau interessiert?


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Kontakt:
Referat Freiwilligendienste
Koordination Ehrenamt
Denise Kapp
Wilhelm-Löhe-Str. 26
Telefon: 09874 8-3573
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