Kinder schützen und stark machen gegen Gewalt: Was können Kitas dazu beitragen?

Das Kinderschutzkonzept von Diakoneo


Der Auslöser ist oft ein ungutes Gefühl. Eine Erzieherin oder ein Erzieher beobachtet in der Kita eine merkwürdige Situation oder stellt fest, dass sich ein Kind anders verhält als sonst. Jetzt ist das Team der Kita gefordert, um zu entscheiden, ob es zum Schutz des Kindes aktiv werden soll und wenn ja, wie.

In den Kindertageseinrichtungen von Diakoneo ist dieses Vorgehen durch ein Kinderschutzkonzept geregelt. Dieser Standard besteht aus mehreren Bausteinen und gibt einen Fahrplan vor, wie im Zusammenspiel zwischen Kita, Familien und Behörden das Wohl des Kindes bestmöglich geschützt werden kann.

  • Wie können Kinder zum Ziel von Gewalt werden?
  • Was sind die Anzeichen?
  • Worauf müssen Erzieherinnen und Erzieher achten?
  • Was können Institutionen tun, um Kinder zu schützen und zu stärken?


Über diese Fragen hat sich Maria Mohr mit zwei erfahrenen Kita-Leiterinnen von Diakoneo unterhalten: Susanne Traumüller-Fischler leitet die Kita „Villa Regenbogen“ in Eckersmühlen im Landkreis Roth. Katrin Fröhlich ist Leiterin der Kindertagesstätte „Stadtspatzen“ in Nürnberg-Schweinau.


Kinderschutzkonzept von Diakoneo


Fallbeispiel: Wie ist das Vorgehen bei dem Verdacht auf Vernachlässigung von Kindern?

Der Fall ist bereits einige Jahre her, aber er beschäftigt Susanne Traumüller-Fischler noch immer:

Simone war fünf Jahre alt, als das Team der Kindertagesstätte „Villa Regenbogen“ in Roth-Eckersmühlen beschloss, dass jetzt etwas passieren muss. Bei Simone, die in Wirklichkeit natürlich anders heißt, war dem Personal bereits über längere Zeit eine Verwahrlosung aufgefallen: ein für Kinder in diesem Alter ungewöhnlicher unangenehmer Geruch und ungewaschene Kleidung. Auch das Zuhause des Mädchens machte einen verwahrlosten Eindruck. Das fiel Susanne Traumüller-Fischler auf, als sie Simone ein Weihnachtsgeschenk brachte. Eine Ausnahme, denn: „Eigentlich machen wir keine Hausbesuche.“

Um das Bild abzurunden zeigte Simone noch ein zunehmend aggressives Verhalten. Aus diesen Puzzleteilen setzt sich ein Gesamtbild zusammen, das für das Kita-Team Anlass war, das Kind genauer zu beobachten. „Wir machen ja nicht sofort eine Meldung beim Jugendamt“, berichtet Susanne Traumüller-Fischler. „Der erste Schritt ist immer, genauer hinzuschauen.“

Simones Verhalten wurde immer auffälliger. Altersuntypische Ausdrücke, Tritte, Schläge, Kratzen, Beißen – es war alles dabei. Der erste Schritt war bereits getan: Nicht nur die Erzieherinnen in Simones Gruppe, sondern das gesamte Team beobachtete sie genauer. „Wir haben auch Heilpädagogen im Haus, die das Kind beobachten können.“


Wie Kinder bei Missbrauch schützen?
Kinder zeigen oft auffälliges Verhalten, wenn in ihrem Leben etwas nicht stimmt.

Ein Fragebogen hilft bei der Entscheidung

Wenn das Kita-Team wie in Simones Fall zu dem Schluss kommt, dass Kindeswohlgefährdung im Raum steht, kann es auf einen Fragebogen zurückgreifen. Dieser prüft verschiedene Kriterien ab, die den Verdacht bestätigen können, dass eine Gefährdung vorliegt. Der nächste Schritt ist der Kontakt zur „insoweit erfahrenen Fachkraft“ oder auch Kinderschutzfachkraft beim Jugendamt. „Diese Fachkraft hat einen wesentlich neutraleren Blick von außen auf das Kind, weil sie emotional nicht so eng dran ist“, weiß die Kita-Leiterin.

Die Kinderschutzfachkraft rät dem Kita-Team, ob eine offizielle Meldung beim Jugendamt ratsam ist oder nicht. Wenn eine Meldung erfolgen soll, gibt es drei nächste Schritte:

1. Die Kita informiert die Eltern, dass eine Meldung beim Jugendamt im Raum steht.
2. Das Jugendamt wird informiert.
3. Bei Diakoneo wird Susanne Traumüller-Fischlers Vorgesetzte informiert: Petra Hinkl ist die geschäftsführende Leitung des Bereiches Dienste für Kinder.

Natürlich versucht die Kita zunächst, mit den Eltern ins Gespräch zu kommen. „In Simones Fall wollten wir die Mutter davon überzeugen, sich selbst an das Jugendamt zu wenden, um Unterstützung bei der Erziehung zu bekommen. Denn wenn wir eine Meldung an das Jugendamt geben, ist natürlich auch die Tür zu den Eltern ganz schnell zu.“ Das geht soweit, dass die Kinder ganz aus der Einrichtung abgemeldet werden.

Bei Simone hat die Mutter es trotz vieler Unterstützungsangebote nicht geschafft, Hilfe für sich und ihre Tochter zu organisieren. Daraufhin meldete Susanne Traumüller-Fischler dem Jugendamt offiziell einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. Welche Maßnahmen dann eingeleitet werden, erfährt die Kita offiziell vom Jugendamt nicht mehr. In Simones Fall hat es lange gedauert, aber nach einiges Zeit stellte das Kita-Team eine Änderung ihres Verhaltens fest. Sie war weniger aggressiv und weniger auffällig. 

Ein Fahrplan regelt das Vorgehen der Kita bei Kindeswohlgefährdung

Der im Fallbeispiel beschriebene Fahrplan für das Vorgehen beim Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ist in den Diakoneo Kitas genau festgelegt. Basis ist das Kinderschutzschutzkonzept. Dieses besteht aus mehreren Bausteinen: Neben dem erwähnten Fragebogen enthält es auch eine Selbstverpflichtungserklärung, die neue Mitarbeitende unterschreiben. Darin verpflichten sie sich, Kinder vor jeglicher Art von Gewalt zu schützen und genau auf Anzeichen von Verwahrlosung und Vernachlässigung zu achten.

Unsere Aufgabe ist es, den Schutz der Kinder konzeptionell zu verankern.

„Unsere Aufgabe ist es, den Schutz der Kinder in den Diakoneo Kindertageseinrichtungen auch konzeptionell zu verankern.“ sagt Petra Hinkl, die geschäftsführende Leitung der Dienste für Kinder. „Deshalb ist für uns die Arbeit an der Kinderschutzkonzeption sehr wichtig.“

Diakoneo ist Träger von zahlreichen Kindertageseinrichtungen in der Metropolregion Nürnberg und in Mittelfranken sowie in Schwäbisch Hall.


Nein sagen in der Kita
"Nein heißt Nein": In der Kita "Villa Regenbogen" lernen die Kinder, wie man deutlich sagt, wo die Grenze ist. © Diakoneo/ Villa Regenbogen

„Wir müssen viele Kinder und ihre Familien genau im Blick behalten.“

Susanne Traumüller-Fischler leitet eine Kita im ländlichen Raum. Simone ist für sie ein Ausnahmefall. Etwas anders ist Bild bei den „Stadtspatzen“, eine Großstadtkita in Nürnberg-Schweinau. Kinder aus über 25 Nationen kommen zu den „Stadtspatzen“. Neben Simone gibt es hier Esha aus Indien, Yasemin aus der Türkei und Michail aus Russland. Auch sie haben in Wirklichkeit andere Namen. Und auch bei ihnen müssen Katrin Fröhlich und ihr Team oft ganz genau hinschauen.

„Bei uns ist der Umgang mit Kinderschutzfällen der Arbeitsalltag“, sagt Katrin Fröhlich. Sie leitet die „Stadtspatzen“. Nicht immer sind das Fälle, bei denen das Jugendamt eingeschaltet werden muss. „Aber wir haben viele Fälle, bei denen wir die Kinder genau im Blick behalten müssen, viel mit den Eltern sprechen und eventuell auch andere Träger der Familienhilfe hinzuziehen.“

Michail zum Beispiel. „Wir wissen, die Eltern haben Probleme bei der Erziehung. Sie habe Probleme, konsequent zu sein und Dinge durchzusetzen.“ Michail fällt durch sein Verhalten deshalb auf in der Kita. „Hier überlegen wir, was wir tun können. Was brauchen die Eltern? Wo können wir das Kind unterstützen?“

Kinder wir Michail gibt es viele bei den „Stadtspatzen“. Viele Familien brauchen Unterstützung bei der Erziehung. Auch Katrin Fröhlich und ihr Team wägen zunächst ab: Reicht es, wenn wir zunächst mit den Eltern sprechen? Ist das Kind ein Fall für das Jugendamt. Den Fragenbogen zur Kindeswohlgefährdung nutzen auch sie.

Viele Kinder bei den „Stadtspatzen“ kommen aus sogenannten prekären Wohnsituationen. Sie leben zum Beispiel in Flüchtlingsunterkünften mit fünf Personen auf zehn Quadratmeter Wohnraum. „Bei unseren Kindern ist es oft schon Kinderschutz, wenn die Kinder in die Einrichtung kommen und hier ein stabiles Umfeld erfahren dürfen.“ sagt Katrin Fröhlich.


Was können Kitas tun, um die Kinder und ihre Familien zu unterstützen?

„Wir versuchen, den Familien Anregungen zu geben, wenn ihre Kinder nicht in die Kita kommen können“, berichtet Katrin Fröhlich. So schickte die Kita zum Beispiel Bastelanregungen und Material dazu oder Bewegungsanleitungen zu den Kindern nach Hause. „Und wir versuchen, mit den Eltern in Kontakt zu bleiben. Wir rufen die Eltern regelmäßig an und fragen, ob die Probleme haben, ob wir helfen können.“

Nutzen die Eltern diese Hilfsangebote?

Viele Eltern nutzen dieses Angebot. So entsteht oft ein stabiles Vertrauensverhältnis zwischen den Familien und der Kita. Für Katrin Fröhlich ist es nicht immer ganz einfach, diesem Vertrauen zu begegnen. „Ich hatte schon Anrufe am Abend, wo mir Eltern erzählt haben, sie hätten ihr Kind gerade geschlagen und fragen, was sie jetzt tun sollen.“ Was tut sie dann? „Ich zeige Verständnis, mache aber auch klar, dass es nicht in Ordnung ist und biete Hilfe an. Indem wir auf jede Situation einzeln eingehen und mit den Eltern besprechen, wie sie jetzt damit umgehen können.“


Wie sage ich nein in der Kita?
"Wenn ich meine Ruhe haben will, dann darf ich das auch ausdrücken": Das lernen die Kinde nicht nur in der Villa Regenbogen. © Diakoneo/ Villa Regenbogen

Wie geht das Team mit diesen Situationen um?

„Wir haben klare Absprachen, was wir tun, wenn wir glauben, dass Kinder gefährdet sind.“ sagt Katrin Fröhlich. Wenn eine Teammitglied eine auffällige Beobachtung macht, wird diese zunächst dokumentiert und das Kind genau beobachtet. Wiederholt sich der Vorfall, spricht eine Erzieherin oder ein Erzieher die Eltern an. Sind diese nicht kooperativ oder reagieren mit Aggression, wird das Kind noch eine Zeitlang genau beobachtet. „Und dann schalten wir das Jugendamt ein.“
Dieses Vorgehen ist gleich für alle Kindertageseinrichtungen von Diakoneo.

Um den Umgang mit diesen oft belastenden Situationen für die Teammitglieder leichter zu machen, ist viel Offenheit nötig: „Wir reden viel in den Teamsitzungen über die Fälle“, sagt Katrin Fröhlich. Wenn die Mitarbeiter es wünschen, ist auch Supervision möglich.
Zwei speziell geschulte Mitarbeiterinnen arbeiten schwerpunktmäßig mit den Familien, um die Eltern frühzeitig zu unterstützen. Neben Elternabenden bietet die Kita auch Eltern-und-Kind-Kurse und Erziehungskurse an. Manchmal ist sanfter Druck nötig, um die Eltern an Bord zu holen. „Wir erzählen den Eltern immer wieder von einem Kurs und sagen, hier könne sie Hilfe bekommen.“

Eine ständige Gratwanderung „zwischen richtig und falsch“, das gibt Katrin Fröhlich offen zu. Aber sie weiß, dass sie und ihr Team durch ihre Arbeit für die Kinder etwas bewirken können: „Wir können dazu beitragen, dass die Kinder nicht nur in der Kita, sondern auch zu Hause ein stabiles Umfeld bekommen.“

Arbeiten mit Kindern bei Diakoneo

Die Mitarbeitenden in den 26 Kinderkrippen, Kindergärten und Horten bei Diakoneo sind ein starkes Team.
Gemeinsam entwickeln sie einrichtungsübergreifende Konzepte wie den Standard zur religionssensiblen Erziehung oder einen Standard zur  Partizipation in der Kita.
In den einzelnen Einrichtungen haben die Teams Raum zur Umsetzung von spannenden Projekten wie zum Beispiel  naturwissenschaftliche Montessori-Projekte oder Konzepten zur Medienpädagogik.
Alle Einrichtungen für Kinder arbeiten seit Jahren nach einem inklusiven Konzept.

Diakoneo legt großen Wert auf die Qualifikation der Mitarbeitenden. Diese entwickeln ihre Fähigkeiten und Kompetenzen in regelmäßigen Schulungen und Fortbildungen laufend weiter. Neugierig?

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Sie möchten als ErzieherKinderpflegerKindheitspädagoge, Heilerziehungspfleger im Erziehungsdienst oder Heilpädagoge (je m/w/d) bei Diakoneo arbeiten? Sie möchten sich der Herausforderung stellen und beim Aufbau einer neuen Einrichtung mitwirken?

Hier finden Sie wichtige Infos und  unsere aktuellen Stellenangebote

Leiterin Haus für Kinder Roth-Eckersmühlen
Susanne Traumüller-Fischler leitet das Haus für Kinder "Villa Regenbogen" in Roth-Eckersmühlen.
Leitung Kita "Stadtspatzen" Nürnberg
Katrin Fröhlich leitet die Kindertagesstätte "Stadtspatzen" in Nürnberg.
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