PIMS-Syndrom bei Kindern nach Corona-Infektion

Plötzliche Überreaktion des Immunsystems – Kinderärzte aus dem Klinikverbund von Diakoneo erklären das neuartige Syndrom bei Kindern

Tagelang anhaltendes hohes Fieber, Ausschlag, Entzündungen im Körper: Was hat es mit dem neuartigen PIMPS-Syndrom bei Kindern auf sich? Chefarzt Prof. Michael Schroth von der Klinik Hallerwiese-Cnopfsche Kinderklinik in Nürnberg und Oberarzt Dr. Ulrich Keck vom Diak Klinikum in Schwäbisch Hall haben bereits einige Fälle behandelt.

Manuela Giesel und Claudia Pollok haben mit den Medizinern des Diakoneo-Klinikverbunds über die Erkrankung gesprochen.

© Family Veldman / Adobe Stock

Hohes Fieber über 40 Grad, Erbrechen, Durchfall – für Eltern sind das ohnehin Alarmzeichen, bei denen sie sofort zum Kinderarzt oder in die Notaufnahme fahren. Dass diese Symptome auch Anzeichen für eine schwere Folgeerkrankung von Covid-19 sein können, ahnen viele Eltern nicht. Meist gibt erst ein Corona-Antikörpertest in der Klinik Gewissheit, ob es sich um PIMS handelt.

Prof. Michael Schroth, Chefarzt der Pädiatrie und Neonatologie an der Cnopfschen Kinderklinik © Christine Blei

„PIMS steht für Paediatric Inflammatory Multisystem Syndrome und ist eine plötzliche Überreaktion des Immunsystems nach einer durchgemachten Corona-Infektion“, erklärt Prof. Michael Schroth, Chefarzt der Pädiatrie und Neonatologie an der Cnopfschen Kinderklinik in Nürnberg. „Kinder zeigen bei Corona-Virusinfektionen oft keinerlei Symptome, trotzdem machen sie die Erkrankung durch.“

Bei manchen Kindern spielt anschießend das Immunsystem verrückt: „Bei PIMS läuft das Immunsystem sozusagen Amok. Es ist ein regelrechter Entzündungssturm: Verschiedene Organe und die Blutgefäße können betroffen sein. Die Verläufe sind aber von Kind zu Kind sehr unterschiedlich“, erklärt der Kinderarzt.

„In Deutschland gibt es mittlerweile circa 300 Fälle von PIMS“, so Prof. Schroth. „In der Cnopfschen Kinderklinik wurden bisher sechs Kinder mit dem Syndrom behandelt.“ Nicht immer sei es aber eindeutig möglich das PIMS-Syndrom vom Kawasaki-Syndrom zu unterscheiden. „Beim Kawasaki-Syndrom sind vor allem die kleinen und mittleren Arterien der Kinder entzündet. Die Ursache ist wie bei PIMS noch unbekannt, es gibt aber Anzeichen, dass es auch durch eine vorherige Virusentzündung ausgelöst wird.“

Die Erkrankung ist „schwer greifbar“

Am Diakoneo Diak Klinikum in Schwäbisch Hall waren in den letzten Monaten, unter anderem bedingt durch die hohen Inzidenzzahlen des Landkreises, ebenfalls mehrere Kinder betroffen, bei zweien war der Zusammenhang mit Covid-19 eindeutig. „Die Kinder hatten über viele Tage hohes Fieber, zwischen 39 bis 40 Grad, waren stark beeinträchtigt und berührungsempfindlich. Oft bestanden zusätzlich Bauchschmerzen, Durchfall, Husten, Zeichen eines Luftweginfektes mit geröteten Augen und häufig Hautausschläge. Zwei Kindern hatten eine deutliche Rötung der Handflächen und Fußsohlen. Bei allen unseren Kindern war eine Herzbeteiligung nachweisbar, erfreulicherweise aber nur leicht bis mäßig ausgeprägt,“ beschreibt Oberarzt Dr. Ulrich Keck die Situation.

Dr. Ulrich Keck, Oberarzt Diak Klinikum © Ufuk Arslan

Die Erkrankung sei „schwer greifbar“, außer dem hohen Fieber und dem schlechten Zustand gibt es oft weitere Symptome, zum Teil nur flüchtig und für wenige Tage vorhanden. Es finden sich sowohl Zeichen einer viralen, wie auch einer bakteriellen Infektion.

Der Kinderarzt erklärt: „Da man anfangs eine schwere bakterielle Infektion nicht ausschließen kann, erhalten die allermeisten Kinder zunächst eine antibiotische Therapie. Nach circa 5 bis 10 Tagen, ohne ersichtliche Besserung, erhalten die Kinder Immunglobuline über 12 Stunden, anschließend Cortison.“ Immunglobuline sind Proteine, das heißt Eiweiße, die für die Abwehr von fremden Substanzen und Stoffen im Körper wichtig sind. Bisher gibt es jedoch keine Leitlinie für die Therapie dieses neuen Syndroms, man orientiert sich an den Behandlungsleitlinien des Kawasaki-Syndroms.

Bislang liegen nur wenige Daten vor: „Im Rahmen einer Herzbeteiligung entwickeln die betroffenen Kinder eine meist leichte bis mäßige Herzmuskelschwäche, die sich auch rasch bessern kann. Komplikation entstehen jedoch in 5 bis 20 Prozent der Fälle in Form einer Aussackung der Herzkranzgefäße. Diese können im schlimmsten Fall zu einem kindlichen Herzinfarkt führen. Ob weitere chronische Organschäden möglich sind, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen,“ so der Mediziner.

Hier finden Sie einen BR-Bericht zum Thema PIMS mit Prof. Michael Schroth: hier klicken.


Kontakt: Klinik für Kinder und Jugendliche am Diak Klinikum Schwäbisch Hall

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