Im Körper entwickelt sich unbemerkt eine tickende Zeitbombe
Ein Aneurysma, also eine Erweiterung der Hauptschlagader im Bauraum, brachte Jürgen Engel in Lebensgefahr. Eine Not-Operation am Diak Klinikum in Schwäbisch Hall rettete sein Leben.
Von Friederike Grünhagen-Wahl
Zusammenbruch aus heiterem Himmel
„Es hat einfach bumm gemacht und ich bin zusammengebrochen“, so beginnt der 63-jährige Jürgen Engel aus Waldenburg seine Geschichte. Nach Feierabend bricht der Monteur bei sich zu Hause zusammen, seine Frau und ein Nachbar reanimieren ihn, bis der Notarzt eintrifft.
Im Diak wird dann mittels Ultraschall und Computertomographie sofort die Diagnose gestellt: Jürgen Engel leidet an einem rupturierten, also geplatzten, Aortenaneurysma, einer Erweiterung der Hauptschlagader im Bauchraum. Eine lebensbedrohliche Situation.
Bei Prof. Dr. Claus-Georg Schmedt, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Diak Klinikum, und Dr. Thomas Dieckmann, Oberarzt der Gefäßchirurgie, ist Engel in den besten Händen. In einer vierstündigen Not-Operation retten die Chirurgen gemeinsam mit erfahrenen Anästhesist*innen und kompetentem Pflegepersonal das Leben des baldigen Rentners.
Wie werden Aortenaneurysmen operiert?
„Eigentlich operieren wir solche Aneurysmen im Rahmen eines geplanten Eingriffes ab einer Größe von 5,5 cm, um die lebensbedrohliche Notfallsituation zu vermeiden, denn die Überlebenschance bei akuter Blutung ist deutlich niedriger als 50%“.
Bei einer geplanten Operation hingegen ist das Risiko viel geringer, außerdem kann dann auch meist eine offene Operation vermieden und minimalinvasiv vorgegangen werden.
Dabei wird ein Katheter mit röhrenförmiger Stent-Prothese durch einen kleinen Schnitt in der Leistengegend über die Oberschenkelarterie exakt an die betroffene Stelle geschoben und entfaltet. Hierzu ist eine hochauflösende Röntgenanlage und außerdem sehr viel Erfahrung notwendig.
Im Diak Klinikum werden diese Prozeduren immer gemeinsam mit dem Team der Radiologie unter Leitung von Chefarzt Prof. Dr. Martin Libicher, geplant und durchgeführt. Die Stentprothese besteht aus einem Drahtgeflecht und ist mit Kunststoff ummantelt und ersetzt fortan die ausgebuchtete Stelle der Bauchschlagader“, erklärt Schmedt.
Dass ein geplanter Eingriff für den Waldenburger Jürgen Engel nicht möglich war, hängt mit der Tücke der Erkrankung zusammen. Die Betroffenen spüren nicht, dass sich in ihrem Körper eine tickende Zeitbombe entwickelt.
Wie läuft eine Not-Operation ab?
Keinerlei Symptome hatte auch Engel. „Für mich war einfach alles wie immer. Es ging mir gut,“ sagt er. Erkennbar sind die Ausbuchtungen zum Beispiel durch eine Ultraschalluntersuchung, die als Vorsorgeuntersuchung für Männer ab einem Alter von 65 Jahren empfohlen wird.
Mit 7 cm Durchmesser und der akuten Ruptur kam für Engel jedoch keine minimalinvasive OP in Frage. „Wir begannen um Mitternacht mit dem Eingriff. Dabei mussten wir den Bauchraum von Herrn Engel weit öffnen, um an die Hauptschlagader zu gelangen, die unmittelbar vor der Wirbelsäule liegt.
Der Patient hatte zu diesem Zeitraum bereits sehr viel Blut in den Bauchraum verloren. Es mussten zahlreiche Blutkonserven verabreicht werden, ohne die ein Überleben dieser Situation nicht möglich gewesen wäre. Wir haben den Blutstrom durch die Bauchschlagader und Beckenschlagadern mit Klemmen zeitweise unterbrochen die erkrankte Aorta mit einer speziellen Y-förmigen Gefäßprothese aus Kunststoff ersetzt“, beschreibt Schmedt den hochkomplexen Eingriff.
„Die Gefäßprothese wird mit der Hand eingenäht und ersetzt nun die rupturierte Stelle der Bauchschlagader. „Ein solcher Eingriff ist sehr anspruchsvoll und kann nur gelingen, wenn neben erfahrenen Chirurgen ein top ausgebildetes Team aus Anästhesist*innen und Pflegekräften im OP und auf Intensivstation rund um die Uhr zur Verfügung steht“, gibt der Chefarzt zu bedenken. „Denn nicht nur bei der Operation selbst, sondern auch in den Tagen nach dem Eingriff ist eine kompetente ärztliche und pflegerische Betreuung erforderlich, damit der Patient diese schwerwiegende Erkrankung überwindet.“
Wer ist besonders von Aortenaneurysmen betroffen?
Es sind vor allem Männer, die von Aneurysmen betroffen sind.
Risikofaktoren können sein:
- Bluthochdruck
- Rauchen
- familiäre Vorbelastung
Untersuchungen haben ergeben, dass Männer rund sechs Mal häufiger von den ballonartigen Ausbuchtungen der Aorta betroffen sind, als Frauen. „Zudem können wir davon ausgehen, dass zwischen drei und neun Prozent aller Männer ein Aneurysma aufweisen“, so Schmedt.
„Die Häufigkeit der Aortenaneurysmen ist sehr stark vom Alter der Männer abhängig. Über 65 Jahren sind etwa 9 Prozent betroffen – die Zahl steigt dann mit dem Alter kontinuierlich auf mehr als 20 Prozent an. Das zeigt: dieses Krankheitsbild ist gar nicht so selten. „Aufgrund der immer besseren Vorsorgeuntersuchungen kommt es allerdings wirklich nicht oft vor, dass ein Patient ein solch großes Aneurysma mit anschließender Ruptur entwickelt“, ergänzt der Chefarzt.
Was tun, wenn ein Aortenaneurysma entdeckt wird?
Wenn im Rahmen eine Vorsorgeuntersuchung ein Aortenaneurysma entdeckt wird, das noch nicht sofort operiert werden muss, sind folgende Maßnahmen sinnvoll:
- Änderungen des Lebensstils: Das Rauchen sollte unbedingt eingestellt werden
- Medikamente verlangsamen das Fortschreiten der Erweiterung verlangsamen und ggf. die Notwendigkeit einer Operation abwenden. Insbesondere wenn weitere Gefäßerkrankungen vorliegen kann auch die Einnahme eines „Blutverdünners“ (ASS) und eines Cholesterinsenkers (Statin) sinnvoll sein.
- eine konsequente Kontrolle des Blutdrucks auf max. 130mmHg systolisch sollte erfolgen
Dass Operationen von Aortenaneurysmen in Schwäbisch Hall überhaupt durchgeführt werden können, ist nicht selbstverständlich. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), das höchste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, verabschiedete im Jahr 2008 strenge Vorgaben für derartige Eingriffe, die im Diak Klinikum eingehalten und regelmäßig überprüft werden.
So müssen mindestens zwei Fachärzte aus dem Bereich Gefäßchirurgie rund um die Uhr im Notfall erreichbar sein. Im Diak Klinikum sind es fünf Fachärzte, die unter der Leitung von Professor Schmedt stehen und für solche Eingriffe geschult sind. Zudem muss, laut GBA, die Narkose bei einem solch schweren Eingriff ebenfalls von einem Facharzt für Anästhesiologie durchgeführt werden. Die anschließende intensivmedizinische Versorgung des Patienten muss des Weiteren durch gesondert geschultes intensivmedizinisches Pflegepersonal erfolgen. „Eingriffe wie die bei Herrn Engel erfolgen immer in einem gut eingespielten interdisziplinären Rahmen. Von der Radiologie bis hin zur Anästhesie – alle arbeiten Hand in Hand“, sagt Schmedt.
Ich bin unhgeimlich dankbar. Hier ist etwas Schlimmes ins Positive verkehrt worden.
"Ich hatte einfach großes Glück, dass ich heute hier sitze und überhaupt erfahren kann, warum ich kollabiert und ins Krankenhaus gekommen bin“, sagt Engel nachdenklich. Rund zwei Wochen muss er nach dem Eingriff im Krankenhaus bleiben.
„Einige Tage danach lag ich auf der Intensivstation im Koma, ehe ich auf die Normalstation verlegt wurde. In wenigen Tagen darf ich nach Hause.“ Und dann steht für Engel erst einmal eine Reha an. „Das ist der Plan. Und danach will ich in Rente gehen – die hab ich schon vor meinem Zusammenbruch beantragt“, freut er sich.
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In den letzten Jahren ist die Zahl der klinischen Behandlungen im Gefäßzentrum des Diak Klinikums stetig gestiegen.
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