Kunst von Menschen mit Behinderung: Die Bruckberger "Lebenskünstler"

"Teugel" und "Timbofanten" werden auf dem Papier lebendig

Zartgrüne, braune und lachsfarbene Töne beherrschen die Zeichnung, die fast fertig vor Heinz Schabert liegt. Eine Kirchentür mit mächtigen, geschlossenen Türflügeln hat er mit Tusche gezeichnet und behutsam mit Aquarellfarben koloriert. Sorgfältig setzt der ältere, korrekt mit Pullover und Hemd bekleidete Herr den Tuschstift auf das Papier und vollendet das Bild mit sicheren Strichen. Dazwischen blickt er sinnend auf das Blatt vor sich.

Künstler mit Behinderung und Therapeutin
Heinz Schabert ist einer der Bruckberger "Lebenskünstler". Er besucht seit langem die Malgruppe von Olympia Poptsias-Bucher. © Mohr

Olympia Poptsias-Bucher spürt, dass er fast fertig ist. Sie kommt an seinen Tisch, betrachtet das Werk und gibt noch kleine Anregungen.
„Herr Schabert malt sehr selbständig“ sagt sie. Olympia Popstsias-Bucher ist ausgebildete Kunsttherapeutin und betreut seit vielen Jahren das Kunstprojekt „Lebenskünstler“ in den Bruckberger Heimen von Diakoneo.

In den Heimen im mittelfränkischen Bruckberg (Landkreis Ansbach) leben Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen und es sind auch behinderte Künstler, die bei den „Lebenskünstlern“ regelmäßig zusammenkommen, um Kunst zu schaffen.

„Es sind oft intensive Prozesse, die im Inneren eines Menschen mit Behinderung ablaufen“ weiß die Kunsttherapeutin. „Durch das Malen können sie viele Dinge ausdrücken, die sie über die Sprache nicht deutlich machen können.“

Auch Heinz Schabert ist eher wortkarg. Zwar hat er vor langen Jahren ein humanistisches Gymnasium besucht, hat dort malen gelernt und sich auch einige Brocken Altgriechisch bewahrt. Doch über seine Kunst spricht er wenig. Sein derzeitiges Projekt ist eine Serie mit historischen Türen. Aus dem Bildband „Burgen und Schlösser in Europa“ holt er sich die Anregungen für die nächste Zeichnung.

Konzentrierte Ruhe herrscht in dem grossen, hellen Raum im Souterrain des „Hauses Gottessegen“ in Bruckberg. Es ist nicht zu übersehen, dass hier Künstler mit Leidenschaft viel Zeit verbringen.

Mensch mit Behinderung malt.
Karl-Heinz Hahn malt ausschließlich mit Filzstift. © Mohr

Gegenüber von Heinz Schabert sitzt Karl-Heinz Hahn. Ebenso wie sein Künstlerkollege ist er mittlerweile im Ruhestand und hat bereits nachmittags Zeit zum Malen. Er malt ausschliesslich mit Filzstift und Motive aus seiner Heimat. Warum das so ist, sagt er nicht. Er hat sein aktuelles Motiv mit Kugelschreiber skizziert und überlegt jetzt, ob er beginnen soll, es mit Filzstift zu kolorieren.

Die „Lebenskünstler“ zeigen ihre Werke in der Region Ansbach regelmäßig auf Ausstellungen. “Die Lebenskünstler haben den Anspruch, Ausstellungen zu machen. Sie wollen, dass ihre Bilder angesehen werden“, sagt Olympia Poptsias-Bücher. „Damit müssen sie aber auch umgehen können.“

Mann mit Behinderung malt mit Wasserfarben.
Roland Wenzels aktuelles Motiv ist die Titanic. © Mohr

Künstler sein trotz Einschränkungen, das gilt auch für Roland Wenzel. Er bildet mit zwei Kollegen eine weitere Gruppe der „Lebenskünstler“. Die drei jüngeren Männer sind noch berufstätig und treffen sich deshalb erst abends. 

Auf Rolands aktuellem Bild prangt die Titanic im vollen Sonnenschein. „Ich habe den Film gesehen und dabei eine Skizze gemacht“, erzählt Roland, der in Dietenhofen in einer Wohngruppe lebt. Neben Schiffsmotiven hat er auch Phantasiefiguren im Angebot. Sein Bild mit dem Titel „Ich reite in der Wüste auf dem Timbofant“ lehnt im Gruppenraum der „Lebenskünstler“ an der Wand.

Mann mit Behinderung betrachtet sein Bild.
Helmut Gustav hat sich ein universelles Thema vorgenommen: Er malt das Universum. © Mohr

Weniger gesprächig als Roland Wenzel ist Helmut Gustav am Tisch nebenan. Seine Motive sind dafür umso universeller: „Universum“ antwortet er lakonisch auf die Frage, was er denn male.

An Selbstbewusstsein mangelt es ihm dennoch nicht: „Des wird fei schön“ murmelt er vor sich hin, während er eine andere Farbe aussucht. „Gut habe ich des gemacht, habe ich mir selbst ausgedacht.“ Ob diese Aufmunterungen an sich selbst oder an die Zuschauer gerichtet sind, die ihm über die Schulter schauen, bleibt offen.

Junger Mann mit Behinderung zeichnet.
Jan Reiß ist das derzeit jüngte Mitglied der "Lebenskünstler". © Mohr

Klar ist: Helmut Gustav ist mit sich selbst und seiner Kunst im Reinen, zumindest in diesem Moment.
Jan Reiß, der derzeit jüngste „Lebenskünstler", dagegen kämpft: Zunächst mit seiner Müdigkeit: Nach einem Arbeitstag in der Werkstatt für Menschen mit einer Behinderung fällt es ihm schwer, über seinem Blatt mit farbenprächtigen, blumigen „Floralitaeten“ die Augen offen zu halten. Und dann sind ihm die kunstvoll geplanten Girlanden aus Blütenblättern auch noch ungleich geraten. Jan ist nicht glücklich. Das in seiner Brust zwei Seelen wohnen, kann der junge Mann gut formulieren; „Als letztes Bild habe ich einen Teugel gemalt, eine Mischung aus Engel und Teufel: ein Selbstportrait“, sagt er.

Menschen, die sich wegen ihrer Behinderung nicht so gewählt ausdrücken könne wie Jan Reiß, hilft die Kunst auch bei der Bewältigung von Problemen: „In schlechten Phasen hilft das Malen den Künstlern, das auszudrücken, was sie bedrückt.“, berichtet die Kunsttherapeutin Popstsias-Bücher. Sie kennt zum Beispiel die Geschichten eines „ihrer“ Künstler, der umgezogen war und sich lange am neuen Ort nicht wohlfühlte.  „Nach und nach hat er sich eingelebt und das sah man auch an seinen Bildern.“

Die Bilder der „Lebenskünstler“ sind in der Regel verkäuflich, Weitere Informationen und eine Preisliste gibt es bei Olympia Poptsias-Bücher. 

Eine kleine Auswahl von Werken der" Lebenskünstler" finden Sie in dieser Bildergalerie (bitte klicken Sie auf das erste Bild):

Kontakt:

Bruckberger Heime

„Lebenskünstler“

Bernhard Harleß Str. 2 / 91590 Bruckberg

Tel: 09824 58101

www.bruckberger-heime.de

BruckbergerHeime@diakoneo.de

Literatur:

Jürgen Zenker (Hg.): Lebenskünstler. Bilder aus der Kunstwerkstatt in Bruckberg. Kunstverlag Josef Fink 2016.

Cover Broschüre Lebenskünstler

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