„Einfach Trommeln“: Menschen mit Behinderung und Kinder musizieren gemeinsam

Ein integratives Projekt der Förderstätte Rothenburg mit der Valentin-Ickelsamer-Mittelschule

Im vergangenen Schuljahr hatten die Schülerinnen und Schüler der Valentin-Ickelsamer-Mittelschule in Rothenburg die Möglichkeit sich an verschiedenen Arbeitsgruppen zu beteiligen. Eine davon, ist die Gruppe „Einfach Trommeln“, ein integratives Projekt in dem sich Schülerinnen und Schüler der Mittelschule einmal in der Woche mit jüngeren Beschäftigten der nahen Förderstätte treffen, um gemeinsam zu singen, zu musizieren und eben zu trommeln. Die meisten der zwischen 10- und 12-jährigen Schülerinnen und Schüler der Ganztagsklassen der Jahrgangsstufen 5 und 6 nehmen bereits zum wiederholten Mal an dem Projekt teil - und die Begeisterung ist nicht nur auf Seiten der Beschäftigten der Förderstätte und der Schülerinnen und Schüler der Mittelschule spürbar. 

Professionelle musikpädagogische Begleitung

Auch Tom Wagner, der das Projekt musikpädagogisch begleitet, ist angetan: „Die sechs Schülerinnen und Schüler und die sechs Beschäftigten der Förderstätte Rothenburg haben sich blitzschnell zusammengefunden. Außer mir sind immer noch zwei oder drei Betreuerinnen und Betreuer anwesend. Das geht ganz unkompliziert. Die Kinder stellen ihre Fragen einfach wie es ihnen in den Sinn kommt und gehen ganz selbstverständlich auf die behinderten Menschen ein.“ Aktueller Lieblingssong der Gruppe ist der Radiohit „Einer von 80 Millionen“, den Tom Wagner schwungvoll auf der Gitarre begleitet. In der Gruppe fällt es allen Beteiligten leicht, den Rhythmus zu finden - und im gemeinsamen Tun entsteht gegenseitiges Verständnis. Plötzlich wird es ganz normal, sich gegenseitig zu unterstützen und einander zu helfen. Die Schülerinnen und Schüler sind vollständig bei der Sache und jeder gibt sein Bestes. 

EinemBeschäftigten der Förderstätte, der nur einzelne und sehr leichte Wörtersprechen kann, ist die Teilnahme an der Trommelgruppe so wichtig, dass er das für ihn neue Wort „Trommeln“ eigenständig erlernte. Dasselbstverständliche Miteinander in der inklusiven Trommelgruppe setzt Lernreize und motiviert zum selbstständigen Lernen. Auf diese Weise erleben die Beschäftigten in der Förderstätte wie sie ihre eingeschränkte Sprachfähigkeit unkompliziert überwinden können. Die elektronischen Hilfsmittel zur Kommunikation werden von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit einem Selbstverständnis und ohne Ängste angewendet. Die große Neugier der Schülerinnen und Schüler die Sprachausgabegeräte zu bedienen, vermittelt den Beschäftigten der Förderstätte, dass ihre Art und Weise der Kommunikation auf Interesse stößt und wertvoll ist. Dadurch wird ihr Selbstwertgefühl gestärkt. Die Freude am gemeinsamen Tun stärkt die Motivation und die Leistungsbereitschaft, das Rhythmusgefühl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wird gestärkt und verfestigt. Außerdem können sie ihr soziales Umfeld erweitern und neue Kontakte knüpfen.

Einfach trommeln in der Förderstätte Rothenburg
Einfach trommeln in der Förderstätte Rothenburg

Die 12-jährige Heval nimmt bereits zum zweiten Mal voller Freude und Interesse an dem Kurs teil. „Ich kann mich jetzt viel besser in die Lage von anderen Menschen hineinversetzen“, erklärt sie überzeugend. Und die 11-jährige Elaine fügt hinzu: „Ich war auch von Anfang an dabei. Das ist einfach toll, wenn ich anderen Menschen helfen und sie glücklich machen kann!“

Die Kooperation mit der Valentin-Ickelsamer-Mittelschule in Rothenburg

Der Schulleiter der Valentin-Ickelsamer-Mittelschule, Markus Heindl, sowieder Leiter Arbeit und Tagesstruktur Rothenburg der Diakonie Neuendettelsau,Hartmut Assel, standen der Projektidee von Anfang an sehr offen gegenüber. Markus Heindl hatte in seiner Schule gerade ein Konzept zum Thema „Soziales Lernen“ aufgestellt, zu dem „Einfach Trommeln“ hervorragend passte. „Im realen Leben haben unsere Schülerinnen und Schüler doch sehr wenig Gelegenheit, Kontakt zu anderen Menschen zu bekommen, seien sie nun in einer anderen Altersgruppe oder mit einer Behinderung“, erklärt er. Allerdings gilt es auch, aus den Erfahrungen zu lernen und das eigene Verhalten zu reflektieren. „Wir schaffen nach den jeweiligen Trommelkursen die Möglichkeit zum Gespräch in der Schule. Dort können Emotionen verbalisiert und das Erlebte verarbeitet werden. Die Kinder haben Gesprächsbedarf und brauchen Erklärung, wenn zum Beispiel einer der Förderstättenbeschäftigten während des Kurses einen epileptischen Anfall erleidet“, so Markus Heindl. „Auf diese Weise schaffen wir Sicherheit und Offenheit und der Umgang miteinander wird selbstverständlich.“

Inklusives Projekt in Rothenburg o. d. T.

Der gemeinsame „Trommelkurs“ dauert in der Regel 90 Minuten und wird durch eine kleine Pause mit Getränken und Keksen unterbrochen. Nach der Pause gibt es eine kleine musikalische Vorführung für die Gruppe im benachbarten Zimmer in der Förderstätte. „Diese kleinen Rituale stärken die Gemeinschaft ganz hervorragend“, so Tom Wagner. Er weiß wovon er spricht. Der freiberuflich tätige Diplom-Musiker mit dem Hauptfach Schlagzeug arbeitet schon seit Jahren mit integrativen Gruppen. Bei einer Veranstaltung in Burgbernheim traf er auf Claudia Hildenstein von der Förderstätte Rothenburg und im Nu war die „Trommel-Kooperation“ in die Wege geleitet. „Über die Brücke der Musik finden unterschiedliche Gruppen zueinander, die sich sonst niemals treffen würden“, freut sich Tom Wagner über das gelungene Projekt. Auch die beiden 10 Jahre alten Jungs, Kilian und sein Freund Niklas, haben ihren Platz in der Gruppe schnell gefunden. Kilian hatte ohnehin schon einen Bezug zum Trommeln: „Mein Onkel hat eine Trommel, da wusste ich schon, dass mir das gefallen würde“, erklärt er. Und Niklas fügt hinzu: „Das mit dem Trommeln macht einfach Spaß und man kann dabei die anderen erleben!“

Professionelle musikpädagogische Begleitung durch
Professionelle musikpädagogische Begleitung durch Tom Wagner

Doch nicht nur die Schülerinnen und Schüler profitieren von dem gemeinsamen Musizieren und Singen. Vor allem auch die Beschäftigten, der nur wenige Gehminuten von der Mittelschule entfernten Förderstätte Rothenburg, sammeln neue Erfahrungen im Spiel und in der Gemeinschaft mit den Schülerinnen und Schülern. Die Gruppe setzt sich aus jüngeren Menschen mit Behinderungen zusammen, so dass sich der Altersunterschied zu den Schülerinnen und Schülern noch im Rahmen hält. Claudia Hildenstein von der Förderstätte Rothenburg ist immer wieder erstaunt und erfreut über die Entwicklung, die sie beobachtet: „Plötzlich kann man sehen, wie aus unkoordinierten Bewegungen sanfte und fließende rhythmische Bewegungen werden oder aus einem verkrampften Gesichtsausdruck ein zufriedenes, entspanntes Lächeln wird. Auch die Verständigung zwischen den Schülerinnen und Schülern und unseren nicht sprechenden Beschäftigten klappt mühelos mit Hilfe von Geräten der Unterstützten Kommunikation.“ Neben aller persönlichen Entwicklung und allen kleinen Erfolgen der Beschäftigten der Förderstätte Rothenburg und der Schülerinnen und Schüler der Valentin-Ickelsamer-Mittelschule, leistet das Projekt auch einen wertvollen Beitrag innerhalb der Sozialraumorientierung in Rothenburg ob der Tauber. Nicht nur in der Förderstätte, sondern auch in der nahen Mittelschule werden künftig die Kontakte zu den Menschen mit Behinderung gepflegt werden. Die Schule plant nun auch andere Veranstaltungen, z. B. ein Nachbarschaftscafé oder die gemeinsame Gestaltung einer Andacht, um auf diese Weise Raum zum Ausprobieren und zur Kreativität zu schaffen. Für die 9. Klasse ist im Rahmen eines Praktikums der Bau eines Barfußpfades gemeinsam mit den Förderstättenleuten ins Auge gefasst.

Die beiden elf und zwölf Jahre alten Schülerinnen Zoe und Laura sind von ihrem Einsatz beim Trommelprojekt inzwischen so begeistert, dass sie sich sogar vorstellen können, einen Beruf zu ergreifen, in dem sie später einmal mit Menschen mit Behinderung arbeiten können: „Wir würden schon gerne helfen und auch für andere da sein“, erklären die beiden unisono.

Hartmut Assel, der Leiter der Förderstätte Rothenburg begrüßt die aktuelle Entwicklung sehr: "Inklusion gehört zu unserem pädagogischen und fachlichen Selbstverständnis in der Arbeit mit den Menschen mit Behinderung. Jedem Einzelnen soll Teilhabe ermöglicht werden. Dazu gehört es, Hindernisse und Barrieren im Miteinander zwischen Menschen mit und ohne Behinderung abzubauen und zu beseitigen. Dies geschieht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess, an dem wir aktiv arbeiten. Wir schaffen Möglichkeiten zur Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderung und bauen auf diese Weise Hürden ab. Ein Beitrag dazu ist diese inklusive Trommelgruppe. Wir, die Beschäftigten und die Mitarbeitenden der Förderstätte Rothenburg von Diakoneo sind stets auf der Suche und offen für Partnerschaften in der Stadt Rothenburg für inklusive Projekte."

Das Projekt wird auch im kommenden Schuljahr weitergeführt werden. Gleich zu Beginn des Schuljahres werden die zur Auswahl stehenden Projekte in den Ganztagesklassen vorgestellt und wer möchte, kann sich anmelden. 

Der Kontakt zu der Trommelgruppe ist über die Förderstätte Rothenburg möglich. Hier finden Sie die Kontaktdaten.

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